„Mütterliche Haushaltspflichten“: Irland stimmt über „veraltete Sprache“ ab
Es ist kein Zufall, dass die irische Regierung ihr Referendum auf den Weltfrauentag legte. Am Freitag stimmen die Iren über gleich zwei Verfassungsänderungen ab, bei denen Formulierungen gelöscht beziehungsweise abgeändert werden sollen, die aus Sicht der Regierung heute als frauenfeindlich gelten.
Konkret geht es darum, ob folgender Absatz zur Rolle der Frau in der irischen Gesellschaft ersatzlos aus der Verfassung von 1937 gestrichen werden soll: „Der Staat erkennt an, dass die Frau den Staat mit ihrem Leben zu Hause in einer Art und Weise unterstützt, ohne die das Gemeinwohl nicht erreicht werden kann. Der Staat wird daher bestrebt sein, sicherzustellen, dass Mütter nicht aus wirtschaftlicher Notwendigkeit gezwungen sind, sich der Arbeit zu widmen, um ihre Pflichten zu Hause zu vernachlässigen.“
Bei der zweiten Verfassungsänderung soll das in der Verfassung verankerte Familienbild erweitert werden. Familien werden darin nämlich noch „auf Grundlage der Ehe“ definiert. Künftig könnte die Definition lauten: „auf Grundlage der Ehe oder anderer, nachhaltiger Beziehungen“.
Politische Einigkeit
Irlands Regierungschef Leo Varadkar, der in der Landessprache als Taoiseach bezeichnet wird, machte am Donnerstag keinen Hehl daraus, welches Ergebnis er bevorzugt: „Ganz ehrlich: Ich glaube, ein ,Nein’ wäre ein Rückschritt für dieses Land“, so der Vorsitzende der Volkspartei Fine Gael bei einem Treffen der Europäischen Volkspartei (EVP) in Bukarest. „Das würde vielen Menschen, Hunderttausenden Kindern vermitteln, dass sie laut unserer Verfassung nicht Teil einer Familie sind. Und es würde bedeuten, dass die veraltete Sprache zu mütterlichen Pflichten gesetzlich verankert bliebe.“
Auch Gleichstellungsminister Roderic O’Gorman bezog mit Blick auf die in der Verfassung definierte Rolle der Frau Stellung: „Der Platz einer Frau ist genau dort, wo sie sein möchte. Ob das im Berufsleben, in der Ausbildung oder zu Hause ist.“
Sogar Sinn Fein ist dafür
Umfragen zufolge wird der Großteil der Wähler am Freitag wohl mit „Ja“ stimmen. Dafür spricht auch, dass es keine klare Opposition gegen das Referendum in der irischen Parteienlandschaft gibt. Selbst die nationalistisch-konservative Sinn Fein, die für eine Wiedervereinigung mit Nordirland eintritt, empfahl ihren Wählern, für die vorgeschlagenen Verfassungsänderungen zu stimmen.
Trotzdem gaben 35 Prozent der Befragten an, noch nicht zu wissen, wie sie abstimmen werden. Politologen erwarten zudem eine ausgesprochen niedrige Wahlbeteiligung. Die veraltete Verfassung, sie scheint im modernen Irland, das unter anderem als erstes Land weltweit 2015 die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare legalisierte, nicht jeden zur Urne zu bewegen.
Das Doppelreferendum war vor rund einem Monat von einer Expertenkommission angeregt worden, deren Vorsitz die Verfassungsjuristin Marie Baker eingenommen hatte. Sie richtete am Donnerstag einen Appell an das Wahlvolk: „Das Schlimmste, was passieren könnte, wäre, dass sich niemand dafür interessiert. Jeder sollte sich dafür interessieren, was in der Verfassung steht und wie sie formuliert ist, weil sie jeden von uns betrifft.
Die Abstimmungsergebnisse werden für den späten Samstag erwartet.
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