USA vs Iran: Erbitterte Todfeinde seit Jahrzehnten
Noch nie gab es einen größeren Angriff mit ballistischen Raketen auf US-Soldaten. Als das iranische Militär am 8. Jänner 2020 den irakischen US-Stützpunkt Ain al Asad beschoss, hielt die Welt den Atem an. Wie würde Präsident Donald Trump reagieren? Wie viele Verluste an US-Soldaten gab es? Kurze Zeit später twitterte Trump: "Alles ist gut." Bis auf einige Schädel-Hirn-Traumata war den Soldaten nichts geschehen.
Wenige Wochen später hatte sich die Lage entspannt, die Corona-Pandemie trug das Ihrige dazu bei, dass diese Zäsur in der globalen Sicherheitspolitik bald aus dem öffentlichen Interesse verschwand. Zäsur, weil der Iran gezeigt hatte, dass es möglich ist, eine wichtige regionale Militärbasis der Vereinigten Staaten von Amerika gezielt mit Raketen anzugreifen – und de facto ungestraft damit davonzukommen.
Wenige Tage zuvor hatten die USA den vom Regime in Teheran gefeierten General Qasem Soleimani per Kampfdrohnen getötet, der Raketenangriff war die Vergeltung dafür. Dennoch war er unter Militäranalysten ein Fanal dafür, wie stark die Raketentechnik der Islamischen Republik trotz internationaler Sanktionen geworden war. Die Feindschaft zwischen beiden Staaten erreichte einen neuen Höhepunkt – und dauert bis heute an. Das schlägt sich auch in den Verhandlungen über die Wiederbelebung des "Atomdeals" (JCPOA) nieder: Die Unterhändler Washingtons und Teherans sitzen nicht einmal im selben Raum. Die Verhandlungen dürften nach mehr als einem Jahr gescheitert sein – und selbst wenn es zu einer Einigung käme, wäre der Iran Experten zufolge innerhalb kürzester Zeit imstande, eine Atombombe zu bauen.
"Tod den USA!" für immer
Wesentlicher Inhalt des Abkommens, das 2015 in Wien beschlossen und 2018 von Trump gekündigt wurde: Der Iran verpflichtete sich, im Zeitraum von 10 bis 15 Jahren sein Atomprogramm stark einzuschränken, sich von internationalen Inspektoren kontrollieren zu lassen – im Gegenzug wurden unter großem Jubel der Zivilbevölkerung etliche Wirtschaftssanktionen gegen Teheran aufgehoben. Allerdings war etwa das iranische Parlament auch damals "nicht bereit, unter dem Vorwand eines Atomabkommens das Motto 'Tod den USA!' aufzugeben", erklärten die Abgeordneten.
CIA-Putsch, 1953
CIA und MI6 organisieren den Putsch von Schah-Anhängern gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Mossadegh, der Irans Öl nationalisieren will. Schah Reza Pahlevi regiert fortan als absoluter Monarch. Die Zivilgesellschaft arrangiert sich mit dem vom CIA gestützten Regime oder geht ins Exil. Religion spielt keine große Rolle.
Islamische Revolution, 1979
Durch die Islamische Revolution wird der Schah zum Verlassen des Landes gezwungen. Unter dem Schiitenführer Ayatollah Khomeini wird im Iran eine Islamische Republik gegründet. Im November stürmen iranische Studenten die US-Botschaft in Teheran und nehmen 63 Botschaftsmitarbeiter als Geiseln.
Anschläge in Beirut, 1983
Pro-iranische Milizen verüben im Libanon Anschläge auf die US-Botschaft und einen US-Stützpunkt. Insgesamt sterben 365 Menschen.
Flugzeug-Abschuss, 1988
Ein US-Kampfschiff schießt ein iranisches Passagierflugzeug ab – man habe es für ein Kampfflugzeug gehalten. 248 Iraner sterben, eine offizielle Entschuldigung der USA folgt nie.
Atomdeal, 2015
In Wien wird das Atomabkommen mit Teheran abgeschlossen. Im Iran wird das Abkommen von vielen Menschen gefeiert. Drei Jahre später beendet Donald Trump den Deal – er sei nicht zielführend.
Spätestens mit dem Bruch des Abkommens orientiert sich der Iran immer mehr in Richtung Norden und Osten, kooperiert enger mit China und Russland. Der sogenannte International North South Transport Corridor – quer durch den Iran – steht kurz vor seiner Fertigstellung: Damit können Güter wie Rohöl von Russland über das Kaspische Meer und den Iran zum Indischen Ozean gelangen. Russische Schiffe müssten nicht mehr den langen Weg über den Suez-Kanal nehmen, die Transporte wären von keinen westlichen Sanktionen betroffen. Die intensivierten Beziehungen zu Russland und China bedeuten nicht, dass die wirtschaftliche Lage im Iran rosig wäre: Die Inflation liegt bei 50 Prozent, die Einnahmen durch den Ölexport betragen dieses Jahr 36 Milliarden Dollar (2018 noch bei 66). Dazu kommen die andauernden Proteste der Bevölkerung gegen das Regime.
Ewig altes Feindbild
Doch solange sich die Mullah-Regierung hält, wird sich auch in der Außenpolitik nicht ändern. Und diese hat seit 43 Jahren mit den USA und Israel ein klares Feindbild. Die Wurzeln liegen allerdings noch länger zurück: 1953 putschten CIA und MI6 die damalige Regierung, nachdem sie den Ölexport verstaatlichen wollte, und installierten mit Schah Reza Pahlavi einen treuen Gefolgsmann. 1979 ließen sie ihn fallen, die Islamische Revolution brach an. Wenige Monate nach der Machtübernahme durch Ayatollah Khomeini stürmten 400 Studenten die US-Botschaft in Teheran, hielten die Mitarbeiter 444 Tage lang als Geiseln. Nach der Freigabe iranischer Mittel im Wert von acht Milliarden Dollar kamen die Geiseln frei – Khomeini frohlockte, bezeichnete die Causa als "die zweite Revolution gegen den großen Satan USA".
Die USA brachen die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab – bis zum heutigen Tag – und belegten das Land mit Sanktionen. Diesen zum Trotz entwickelte die iranische Führung Kampfdrohnen und Raketen, bildete Terroristen und Milizen aus, bedroht und bekämpft (über Terrororganisationen) Israel. Und gewann nach dem schrittweisen US-Rückzug aus dem Irak in den vergangenen Jahren im Nahen und Mittleren Osten an Einfluss. Jene Region, die bei einem Scheitern des Atomdeals und der Produktion einer iranischen Atombombe in ein nukleares Wettrüsten verfallen könnte. Allen voran würde Saudi-Arabien, erbitterter Konkurrent der Mullahs, rasch mit einer eigenen Atombombe nachziehen.
Kommentare