US-Botschafter in Kiew belastet Trump in Ukraine-Affäre

Trump behaupte, er habe nichts falsch gemacht
Der US-Präsident machte Militärhilfen laut William Taylor von Ermittlungen gegen seinen Gegner Biden abhängig.

In der Ukraine-Affäre hat US-Präsident Donald Trump ausgerechnet durch die massiv belastende Aussage seines eigenen Botschafters in Kiew den bisher schwersten Rückschlag erlitten.  Gleichzeitig haben die Demokraten zusätzliche Munition für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahren an die Hand bekommen, dem laut Umfragen inzwischen über 50 Prozent der Amerikaner zustimmen.

William Taylor, seit 50 Jahren im Staatsdienst und seit Frühjahr Interims-US-Chef-Diplomat in der Ukraine, hat in nicht-öffentlichen Kongress-Anhörungen unter Eid bestätigt und anhand von schriftlichen Notizen minutiös rekonstruiert, was Trump hartnäckig bestreitet.

Amerikas Präsident, so Taylor, hat den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymir Selenskij über Emmissäre mit einer Drohung erpresst, die aus Sicht von oppositionellen Demokraten und Staatsrechtlern den Tatbestand des schweren Amtsmissbrauchs erfüllt und für sich genommen eine Amtsenthebung rechtfertigen würde.

Konkret habe Trump angeordnet: Nur wenn Selenskij öffentlich staatsanwaltliche Ermittlungen gegen den demokratischen Präsidentschafts-Kandidaten Joe Biden und dessen Sohn Hunter ankündigt, könne es a) eine Einladung ins Weiße Haus und b) die Freigabe von rund 400 Millionen Dollar US-Militärhilfe für das von russischer Teil-Besetzung geplagte Land geben.

Hintergrund: Hunter Biden war Mitglied im Aufsichtsrat des ukrainischen Gas-Konzerns Burisma, während sein Vater als Vize-Präsident unter Barack Obama das Ukraine-Dossier versah und in diesem Kontext die Ablösung eines als korrupt geltenden Generalstaatsanwalt beförderte.

Trump erhofft sich aus der Ukraine Informationen, die seinen möglichen Herausforderer bei der Wahl in einem Jahr in Verruf bringen können. Vater und Sohn Biden bestreiten rechtlich relevantes Fehlverhalten.

Verschwörungstheorien

Zudem, so Taylor weiter, musste sich Selenskij verpflichten, einer von Trump verfolgten Verschwörungstheorie nachzugehen. Danach soll nicht Russland, sondern die Ukraine 2016 die US-Präsidentschaftswahlen beeinflusst haben; mit Hilfe der Demokraten. Eine These, die sämtliche US-Geheimdienste und Sonder-Ermittler Robert Mueller bereits vor Monaten als substanzlos bezeichnet hatten. Sie sehen eindeutig den Kreml hinter den klandestinen Aktivitäten, die vor allem über Internet-Propaganda liefen.

Wie Taylor in seiner 15-seitigen Eröffnungs-Erklärung für die Kongress-Ausschüsse schreibt (liegt dem KURIER vor), hat Amerikas EU-Botschafter Gordon Sondland, ein von Trump für eine Millionenspende mit dem Posten belohnter Unternehmer, ihm persönlich das von Trump dezidiert gewünschte Geschäft auf Gegenseitigkeit mit der Ukraine am Telefon dargelegt.

Mehr noch: Wie sich die amerikanisch-ukrainischen Beziehungen entwickeln würden, hänge allein davon ab, ob Selenskij öffentlich den Startschuss für Ermittlungen gegen die Bidens gibt, zitiert Taylor Sondland.

Als Erläuterung habe Sondland mit Blick auf Trump gesagt: “Wenn ein Geschäftsmann davor steht, einen Scheck an jemanden auszustellen, der ihm etwas schuldig ist, dann fordert der Geschäftsmann von dieser Person, in Vorleistung zu treten, bevor er den Scheck unterzeichnet.”

Heißt übersetzt: Der Geschäftsmann - ist Trump. Der Scheck - ist die US-Militärhilfe. Die Person - ist Selenskij. Die Vorleistung - ist die öffentliche Ansage der Ukraine, den Bidens die Staatsanwälte auf den Hals zu hetzen.

Der Karriere-Diplomat Taylor bestätigte zudem eine ihm zugeschriebene Handy-SMS an Sondland. Inhalt: “Ich glaube, es ist verrückt, die Militärhilfe zurückzuhalten, um Hilfe für einen Wahlkampf zu bekommen.”

Donald Trump hält dagegen daran fest, dass es von seiner Seite nie den Versuch eines “quid pro quo” (Gibst-Du-mir-geb-ich-Dir) mit der Ukraine gegeben habe.

Seine Sprecherin Stephanie Grisham nannte die Vernehmung Taylors eine “koordinierte Schmutzkampagne von linksradikalen Abgeordneten und radikalen, nicht gewählten Bürokraten”, die auf der Grundlage von “dreifachem Hörensagen” agierten. Der Präsident habe nichts falsch gemacht.

Dabei hatte Trumps Stabschef Mick Mulvaney in der vergangenen Woche vor laufender Kamera im Prinzip bestätigt, dass die USA mit der Ukraine ein Hanky-Panky-Geschäft anstrebten. Dies sei normal, sagte Mulvaney vor Journalisten und fügte hinzu: “Gewöhnt euch dran.” Später zog der ehemalige Kongress-Abgeordnete, dessen Stuhl dem Vernehmen nach wackelt, seine Aussagen zurück.

Vor Taylors Vernehmung eskalierte der Präsident seine Rhetorik gegen die Demokraten und verglich die von der Verfassung geschützten Ermittlungen gegen sich, die wahrscheinlich zu einem Amtsenthebungsverfahren führen, mit “Lynchen”.

Bis hin zum mächtigen Republikaner-Chef im Senat, Mitch McConnell, der angesichts der amerikanischen Geschichte von “unangebrachter Wortwahl” sprach, folgte eine heftige parteiübergreifende Erregungsphase.

Ablenkungsversuch

Alle führenden US-Medien berichteten über Trumps Versuch, eine deplatzierte Analogie herzustellen zwischen sich und der knapp 3500 Mal verübten tödlichen Selbstjustiz an Afro-Amerikanern zwischen 1880 und 1968. Nach Ansicht von US-Kommentatoren war genau das Trumps Kalkül. “Er wollte von Taylors Vernehmung ablenken.”

Was nicht gelungen ist. Die Schlagzeilen und Kommentierungen am Mittwoch sind für Trump verheerend. Taylors Ausführungen, denen aufgrund der tadellosen Vita des Kronzeugen höchste Glaubwürdigkeit bescheinigt wird, “können diese Präsidentschaft beenden”, konstatiert die Washington Post.

Die New York Times und andere arbeiteten heraus, dass Taylor sich mit vielen Details in die Riege jener Top-Diplomaten einreihte, die Trump in der Ukraine eine destabilisierende und Moskau nützende “Schatten-Diplomatie” abseits konventioneller Kanäle vorwerfen. Ausgeführt durch seinen mittlerweile selbst von strafrechtlichen Ermittlungen überzogenen Privat-Anwalt Rudy Giuliani und gegen den erklärten Willen des ehemaligen Nationalen Sicherheitsberaters John Bolton, der Giuliani die Gefährlichkeit einer “Hand-Granate” attestierte.

Zuvor hatten bereits Marie Yovanovitch, auf Giulianis Bestreben von Trump und Außenminister Mike Pompeo geschasste US-Botschafterin in der Ukraine (für sie kam Taylor aus dem Ruhestand), und die ehemalige Russland-Beraterin des Präsidenten, Fiona Hill, ähnliches unter Eid ausgesagt und das Weiße Haus in ein schlechtes Licht gerückt.

Stellvertretend für die Demokraten sagte die Abgeordnete Debbie Wasserman Schultz, Taylors Aussagen seien für Trump “vernichtend”. Bis Ende dieser Woche werden noch weitere Diplomaten und hochkarätige Regierungsangestellte zum Fall Ukraine vernommen. Bereits jetzt werden unter den Demokraten die Rufe lauter, das “impeachment”-Verfahren gegen Donald Trump zügig einzuleiten.

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