Beschädigte Unterseekabel: Chinesisches Schiff im Verdacht, China will kooperieren
Es gibt Vorfälle, die direkt Skepsis hervorrufen. Vor allem dann, wenn sie innerhalb kürzester Zeit wieder passieren.
Die Anfang dieser Woche entdeckten Schäden an gleich zwei Untersee-Telekommunikationskabeln in der Ostsee, rund ein Jahr nach dem letzten Vorfall dieser Art, lassen in Europa niemanden mehr an einen Zufall glauben. Deutschlands Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sprach gar von einem "Akt der hybriden Kriegsführung".
Was ist passiert? Am Sonntag gegen 10:00 Uhr entdeckte zunächst das litauische Telekommunikationsunternehmen Telia Lithuania, dass eines seiner Kabel zwischen Litauen und Schweden beschädigt wurde - und zwar "nicht durch einen Geräteausfall, sondern durch eine physische Beschädigung des Glasfaserkabels". Das Kabel stellt etwa ein Drittel der litauischen Internetkapazität.
Wenig später meldete auch das finnische Unternehmen Cinia ein durchtrenntes Kabel. Dabei handelt es sich um das sogenannte C-Lion-Kabel, das Finnland über 1.200 Kilometer Länge mit Deutschland verbindet und entlang anderer kritischer Infrastruktur wie Gaspipelines verläuft. Auch hier wirkte sich der Schaden auf die Internetleistung in Finnland aus.
Anders als gemeinhin angenommen, stellen nicht Satelliten im All, sondern dicke Kabel auf dem Meeresgrund die weltweite Internet- und Telekommunikationsverbindung sicher. Knapp 500 Datenschläuche ziehen sich heute durch die Ozeane.
An Land verlaufen die Kabel unterirdisch in Rohren, am Strand werden sie in circa 10 Metern Tiefe vergraben. Um die Kabel im Meer zu verlegen, kommen sogenannte Kabelleger-Schiffe zum Einsatz. Sie müssen extrem langsam fahren und ihr Tempo sowie etwaige Manöver ständig an die Beschaffenheit des Meeresbodens anpassen. Ein Schiff kann heutzutage bis zu 9.000 Meter Kabel transportieren.
Zur Reparatur nutzen die Schiffe Drohnen, um die Kabel aus oftmals mehreren Kilometern Tiefe an die Oberfläche zu tauchen.
Chinesisches Schiff im Verdacht - Peking will kooperieren
Im Verdacht steht offenbar ein chinesisches Frachtschiff. Am Mittwoch hatte das dänische Militär mitgeteilt, ein Schiff unter chinesischer Flagge zu überwachen, das sich zum Zeitpunkt der Kabelbrüche in den betroffenen Gebieten aufgehalten haben soll. Die "Yi Peng 3" liegt momentan in dänischen Gewässern vor Anker.
Die chinesische Regierung erklärte am Donnerstag, mit den Behörden in Schweden und Dänemark zusammenarbeiten zu wollen, um den Fall aufzuklären. Man werde alles tun, um "die Sicherheit der internationalen Unterwasserinfrastruktur zu gewährleisten", so ein Sprecher des Außenministeriums. Zu dem verdächtigen Schiff seien ihm jedoch keine Details bekannt.
Pistorius: "Niemand glaubt, dass die Kabel versehentlich verletzt wurden"
Die Fälle erinnern eindeutig an die Durchtrennung der Ostsee-Gaspipeline Balticconnector sowie zweier Unterseekabel im Oktober 2023. Damals hatten die betroffenen Staaten früh den Anker eines chinesischen Frachtschiffs namens "Newnew Polar Bear" als Verursacher ausgemacht.
Die chinesische Regierung räumte Monate später einen "bedauernswerten Unfall" ein, lieferte das Schiff aber bis heute nicht aus - es parkt seither im Hafen der Großstadt Tianjin.
Auch diesmal soll, so berichten es finnische Medien am Dienstag, ein chinesisches Frachtschiff zum Zeitpunkt der Ausfälle in der Nähe der Kabel unterwegs gewesen sein.
Somit erklärt sich auch, warum Pistorius und sein finnischer Amtskollege Antti Häkkänen am Rande des EU-Verteidigungsministergipfels in Brüssel erklärten, es sei "klar, dass hier etwas im Gange ist".
"Niemand glaubt, dass die Kabel versehentlich beschädigt wurden. Ich will auch nicht glauben, dass die Anker der Schiffe die Schäden versehentlich verursacht haben", sagte Pistorius. Und weiter: "Wir müssen derzeit ohne sichere Informationen davon ausgehen, dass der Schaden durch Sabotage entstanden ist."
US-Geheimdienst warnte bereits im September
Erst Anfang September hatten US-Geheimdienste ihre europäischen Partner vor "erhöhter russischer Aktivität" rund um Unterseekabel gewarnt.
Das russische Militär betreibe inzwischen unter dem Decknamen "Direktorat für Tiefseeforschung" eine größere Menge vermeintlich ziviler Schiffe, die mit Untersee-Drohnen ausgestattet und damit zur Sabotage von Unterseekabeln fähig seien, zitiert CNN den Bericht.
Vorige Woche sorgte ein russisches Schiff in Irland für Ärger, als es unerlaubterweise ohne Vorwarnung in ein Gebiet innerhalb irischer Hoheitsgewässer eindrang, in dem sich Unterseekabel befinden. Das rief die irische Marine auf den Plan, die das Schiff schließlich aus den Hoheitsgewässern geleitete. Moskau blieb eine Erklärung schuldig.
Untersuchung im Gange
Bei den Gipfeltreffen der europäischen Außen- und Verteidigungsminister am Montag und Dienstag in Brüssel sei man sich deshalb einig gewesen, dass man es mit einer neuen Phase der hybriden Kriegsführung zu tun habe.
Auch die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) reagierte bereits: "Unsere europäische Sicherheit ist nicht nur durch den Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine bedroht, sondern auch durch hybride Kriegsführung böswilliger Akteure. Der Schutz unserer gemeinsamen kritischen Infrastruktur ist für unsere Sicherheit und die Widerstandsfähigkeit unserer Gesellschaften von entscheidender Bedeutung.“
Wie groß der Schaden an den beiden in dieser Woche gekappten Unterseekabeln ist, ist noch unklar. Ebenso, wie lange die Reparatur dauern wird - normalerweise bis zu 15 Tage. Da die Militärs der betroffenen Länder - Litauen, Schweden, Finnland und Deutschland - jedoch erst noch die beschädigten Stellen untersuchen werden, werde es wohl länger dauern.
Hinweis: Dieser Artikel erschien erstmals am 19.11.2024, wurde aber aufgrund aktueller Entwicklungen erneut ausgespielt.
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