Union in der Krise: Viel Last für Laschet
Es ist 9.45 Uhr, der Livestream läuft, die Kameras sind postiert, Journalisten mit Maske sitzen auf ihren Plätzen bereit. Nein, es ist nicht Armin Laschet, der hier gleich die Verluste seiner CDU bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erklärt.
Markus Söder, Chef der bayerischen Schwesterpartei CSU, steht an diesem Montag als Erster in München vor der Presse und spricht von einem „schweren Schlag“. Denn ohne die Stimmen aus dem Süden, „sind dauerhaft keine stabilen Mehrheiten im Bund möglich“. Und warnt, dass diese jenseits der Union möglich sind. Dann skizziert er, was diese nun brauche – da ist von Neustart die Rede, aber auch konkret von Konzepten für Wirtschaft, Klimaschutz und Digitalisierung.
Bayern drängt
Mehrmals lässt er das Wort „Wake-up-Call“ fallen – wohl in der Hoffnung, dass es einer aufgreifen wird. Ja, der gelernte Fernsehjournalist Söder weiß, welche Botschaften und Bilder er wie vermittelt. Wenn er etwa davon spricht, dass sie die Bundestagswahl „nicht mit dem Schlafwagen gewinnen können“. Wen er darin schlummern sieht, sagt er nicht. Man kann es sich aber vorstellen.
Es hätte auch Armin Laschet sein können, der sich am Montagmorgen oder besser noch Sonntagabend vor die Presse stellt und so in die Offensive geht. Und mit der alten Tradition bricht, wonach sich stets der Generalsekretär am Wahlabend äußert. Eine flammende Rede hätte es sein können, wie er in diesem Superwahljahr die Union zur stärksten Kraft machen will. Gründe, um so nach vorne zu preschen, gäbe es genug.
Neben Wahlverlusten, die jetzt nicht auf Laschets Konto gehen, haben CDU und CSU generell massive Probleme: Sie verlieren in der Bevölkerung an Vertrauen – das hat mit dem Corona-Krisenmanagement zu tun, genauso wie mit den Verfehlungen von Unionsabgeordneten, die sich mit Schutzmasken-Geschäften bereicherten. Früher konnte die Union in schwierigen Zeiten immerhin darauf bauen, dass sie mit Kanzlerin Angela Merkel die beliebteste Politikerin des Landes als Zugpferd bei Wahlen hat. Doch in sechs Monaten wird alles anders sein: Die 66-Jährige tritt nicht mehr an. Ob es dann wirklich Armin Laschet macht?
Er tritt an diesem Montagnachmittag erst einmal vor die Presse, um nach Söder die jüngsten Ereignisse zu kommentieren. Er sei „enttäuscht“ vom schlechten Abschneiden seiner Partei. Starke Regierungschefs in den Ländern und persönliche Verfehlungen in der CDU hätten das Wahlergebnis negativ beeinflusst, sagt er mit Blick auf die Maskenaffäre. Für Abgeordnete soll künftig ein engerer Rahmen für Nebentätigkeiten gelten. Von den Ministern in der Regierung erwarte er gute Arbeit, setzte er fort und tadelte dann SPD-Finanzminister Olaf Scholz, der am Vorabend über eine künftige Regierung ohne die CDU frohlockte. In solchen Momenten ist bei dem sonst gelassenen Mann aus Aachen der Ärger rauszuhören. Dass der Druck auf ihn steigt, ist ihm klar. Er kündigte daher intensive Programmarbeit an, auch eine „Ostkonferenz“ soll folgen. Am 6. Juni wählt Sachsen-Anhalt, wo ein CDU-Mann regiert dessen Landesverband durchaus für eine Zusammenarbeit mit der AfD offen wäre – der nächste Stresstest also.
Schwache Position
Aber, ob Laschet bis dahin das Ruder umzureißen vermag? Abgesehen von Pandemiemanagement und Problemen mit Masken-„Raffkes“ ist die Lage für ihn persönlich ungemütlich. Seine Wahl am CDU-Parteitag war kein Selbstläufer. Wie auch seine Vorgängerin Annegret Kramp-Karrenbauer konnte er sich nur knapp gegen Friedrich Merz durchsetzen. Fast die Hälfte der Delegierten hat ihn nicht zum Vorsitzenden gewählt. Auch in der Wählerschaft ist seine Position schwach. Sie hält in Umfragen CSU-Chef Markus Söder für wesentlich geeigneter, die Kanzlerkandidatur für die Union zu übernehmen.
Mit Auftritten wie dem gestrigen nährt das natürlich wieder das Bild vom Möchtegern-Kanzler Söder. Dabei geht es diesem vermutlich um anderes: Er hängt als Parteichef der kleinen Schwester CSU genauso dran, wenn die Union bei den Wahlen im September verliert. Und dass sich die anderen Parteien die Hände reiben würden, wenn am Schluss keiner der beiden Unionsmänner im Kanzleramt sitzt, ist unbestritten.
Nach Ländersieg: Grüne warten ab, Rote hoffen
Analyse. In Baden-Württemberg gewinnen sie mit einem Rekordergebnis von 32,6 Prozent, in Rheinland-Pfalz legen sie zu – dennoch übt sich die grüne Bundesparteispitze am Montag nach der Wahl in Zurückhaltung. Sie sehen zwar den Trend bestätigt, die Menschen wollen, dass sie mitregieren, aber bis zur Bundestagswahl sei noch alles offen, verschiedene Dynamiken möglich, erklärt Robert Habeck. So weit, so verschwommen.
Klar, in den bundesweiten Umfragen stehen die Grünen konstant zwischen 17 und 19 Prozent, das sind noch immer fast zehn Prozentpunkte hinter der strauchelnden CDU und knapp vier vor der SPD. Auch der Wahlsieg im Ländle ist dem beliebten grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zuzuordnen, der weit konservativer ist als andere Grüne. Das ist in Baden-Württemberg, wo die CDU 58 Jahre lang regierte, auch nötig. Auf den Bund lässt sich das Modell-Kretschmann nicht so einfach kopieren. Robert Habeck und Co-Chefin Annalena Baerbock sind zwar pragmatisch, sie müssen aber genauso Parteilinke abholen. Wie sie das schaffen wollen, wird sich am Freitag zeigen, wenn sie ihr Programm vorstellen. Ob sich dann zeigt, welche Partei für sie künftig als Partner in Frage käme? Wohl kaum. Das Offenhalten in alle Richtungen ist Teil der Strategie. Sollte sich im Stammland „Bawü“ aber eine Ampel aus Grüne, SPD und FDP bilden, wird man dies genau beobachten. Wäre es doch eine Option ohne die CDU. Eine Vorstellung, die bei vielen Grünen Anklang findet.
Genauso wie bei der SPD, die im Ländle nicht punkten konnte und in Rheinland-Pfalz dank Ministerpräsidentin Malu Dreyer gewann. Für sie ist die Ampel ein Hoffnungsschimmer, um weiter in den Ländern und im Bund eine Rolle zu spielen, wo sie seit Monaten bei 15 Prozent festzementiert ist. Trotz Regierungsarbeit und Kanzlerkandidaten Olaf Scholz. Damit der Plan aber aufgeht, müsste die FDP mitspielen. Bundesparteichef Christian Lindner ließ wissen, dass man es sowohl in den Ländern als auch im Bund an den Inhalten festmachen – und scheitern lassen würde, so wie 2017.
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