"Mein Freund Mevlüt Çavuşoğlu. Es ist eine Ehre, dich wieder in Budapest begrüßen zu dürfen", schrieb der ungarische Außenminister Péter Szijjártó Anfang Februar in den sozialen Netzwerken. Darunter mehrere Fotos mit dem Amtskollegen, Schulter an Schulter, händeschüttelnd, im Gespräch vertieft, Einheit suggerierend.
Die Bilder richteten sich wohl vor allem nach außen – an die westlichen NATO-Verbündeten, aber auch an Russland. Denn nach wie vor sind Ungarn und die Türkei die einzigen zwei der 30 Bündnismitglieder, die das Beitrittsansuchen Finnlands und Schwedens blockieren – seit bald einem Jahr.
Jetzt aber scheint Bewegung in die Blockade zu kommen – sowohl in Budapest als auch in Ankara braucht man das Wohlwollen der NATO-Partner mehr denn je.
Viele Gemeinsamkeiten
Ministerpräsident Viktor Orbán ist seit Jahren um ein gutes Verhältnis zu Präsident Recep Tayyip Erdoğan bemüht. Das Interesse ist sowohl sicherheits- als auch energiepolitischer Natur: So wurde im vergangenen Jahr ein Vertrag geschlossen, um künftig sämtliche Gaslieferungen aus Russland nach Ungarn auf die Turkstream-Pipeline umzuleiten, statt sie wie bisher durch die Ukraine zu schicken.
Die "Freundschaft" der Länder geht sogar so weit, dass einer von Orbáns Fidesz-Abgeordneten Erdoğan für den Friedensnobelpreis nominiert hat – für seine Vermittlungsversuche zwischen der Ukraine und Russland. In der türkischen Welt wiederum sehe man Ungarn als Brückenkopf zur EU, so Experten.
Dennoch glaubt Sinem Adar nicht, dass die NATO-Blockade abgesprochen ist: "Es ist wohl ein unbeabsichtigter Schulterschluss, der auch den ähnlichen politischen Positionen geschuldet ist: den autokratischen Züge des politischen Systems, dem Abbau demokratischer Elemente und den anti-westlichen Ressentiments", so die Soziologin von der Stiftung für Politik und Wissenschaft in Berlin zum KURIER.
Machtspielchen in der NATO
Beide stärkten mit ihren Machtspielchen ihre eigene Position in der NATO, nutzten dafür altbekannte, innenpolitische Streitthemen: Die Türkei, die geplanterweise im Mai Parlamentswahlen hat, wirft Schweden vor, Terrororganisationen zu unterstützen, wie die kurdische Arbeiterpartei PKK. Die Koran-Verbrennungen und Erdoğan-Puppen am Galgen bei Protesten in Stockholm bestärkten das Land in seiner Blockade.
Orbán hingegen begründet die "Skepsis" damit, dass diese Länder offensichtlich "Lügen über die Demokratie und Rechtsstaatlichkeit Ungarns" verbreiten würden.
Nun aber will das ungarische Parlament rasch über die Ratifizierung des Beitrittsansuchens. Ankündigungen wie diese gab es zwar öfter im vergangenen Jahr, niemals jedoch von Orbán persönlich. Im staatlichen Rundfunk betonte er gönnerhaft, auch Ungarn habe man 1999, zehn Jahre nach Ende des Kommunismus, bereitwillig in das Bündnis aufgenommen.
Und laut NATO-Chef Jens Stoltenberg ist im März ein Treffen zwischen der Türkei, Schweden und Finnland geplant. Adar glaubt, dass die humanitären und wirtschaftlichen Folgen des verheerenden Erdbebens Erdoğan zu einem Umdenken zwingen könnten: "Die Türkei ist auf jede Hilfe des Westens angewiesen."
Diese wiegt in der Not offenbar mehr als das Ausloten der eigenen Macht.
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