Erdoğans Management der Erdbeben-Hilfe "ist wahlentscheidend"

Laut Umfragen steht es Spitz auf Knopf: Demnach könnte Recep Tayyip Erdoğan bei dem Urnengang im Mai sein Amt an die (großteils vereinte) Opposition verlieren. „Vieles hängt jetzt vom Krisen-Management des türkischen Präsidenten ab. Macht er es gut, kann er das Ruder herumreißen und als Sieger aus der Wahl gehen“, sagt der Politologe Hüseyin Bagci im KURIER-Gespräch. Das „Jahrhundertbeben“ habe jedenfalls Auswirkungen auf die politische Landschaft, betont der Experte.
Und er zieht einen Vergleich zu Gerhard Schröder und Deutschland. Der damalige Kanzler war vor der Bundestagswahl 2002 bereits schwer angeschlagen. Dann kam im Sommer die Jahrhundertflut, der hemdsärmelige Sozialdemokrat gummistiefelte im sächsischen Dresden, schmiedete ein Hilfspaket für die Betroffenen – und gewann im September die Wahl.
Der Kampf um die Herzen der Türken
Im Gegensatz dazu habe Erdoğan bisher nicht punkten können: Menschen in betroffenen Bebengebieten berichteten, dass lange Zeit keine Hilfe eingetroffen war. „Auch dass so viele Häuser in sich zusammensackten, weil sie nicht erdbebensicher errichtet worden waren, wird teils der Regierung angelastet. Sie hat da immer wieder alle Augen zugedrückt“, merkt Bagci an, der in Ankara einen Lehrauftrag hat. Auch dass das türkische Militär nicht sofort tätig geworden sei, werde von einigen als Versäumnis gesehen. Die Regierung will von all dem nichts wissen und ließ sogar Menschen wegen der „Verbreitung von Falschinformationen“ im Internet festnehmen.
Der Kampf um die Herzen der Türken, aber auch um deren Stimme bei der Wahl wird jedenfalls auch auf dem Trümmerfeld nach dem Erdbeben ausgetragen. Die Bürgermeister der drei größten Städte des Landes (Istanbul, Ankara, Izmir) haben sich bereits auf den Weg in die Krisenregion gemacht – alle drei gehören der Opposition an. Erdoğan selbst, der versuchen wird, die Mitbürger in Notzeiten hinter sich zu scharen, wird als „Krisen-Manager“ ebenfalls nicht lange auf sich warten lassen.
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