Ukraine-Überfall: Kann Putin als Kriegsverbrecher angeklagt werden?
Der verstorbene libysche Diktator Muammar al-Gaddafi, sein Sohn Saif al-Islam, Sudans Ex-Staatschef Omar al-Bashir und der berüchtigte ugandische Rebellenführer Joseph Kony haben eins gemeinsam: Gegen sie alle ermittelte der Internationale Strafgerichtshof (IStGH bzw. ICC) in Den Haag. Nun könnte auch Wladimir Putin ins Visier geraten.
Der Chefankläger des IStGH, Karim Khan, will Ermittlungen über mögliche Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Ukraine einleiten.
Wie der Brite mitteilte, soll es zunächst um Vorfälle vor der russischen Invasion vergangene Woche gehen, etwa um die Niederschlagung pro-europäischer Proteste 2013 und 2014, die Besetzung der Krim durch Russland 2014 und die seither andauernden Kämpfe in der Ostukraine. Es werde aber auch der jetzige Krieg untersucht, so Khan.
Der seit 2002 tätige IStGH ist eine Internationale Organisation im völkerrechtlichen Sinn, aber kein Teil der Vereinten Nationen. Er ermittelt gegen Einzelpersonen und wird von 123 Staaten unterstützt, darunter alle Mitglieder der EU.
Mehrere große bzw. in Konflikte involvierte Länder wie China, Indien, Israel, die Türkei oder die USA haben das dem IStGH zugrunde liegende Römische Statut aber nie unterzeichnet bzw. nicht ratifiziert, sie erkennen das Gericht damit nicht an. Zu ihnen zählen auch die Ukraine und Russland.
Wenn jetzt Ermittlungen eingeleitet werden, müsse zunächst überprüft werden, ob der IStGH überhaupt zuständig sei, erklärt der Völkerrechtsexperte Walter Obwexer dem KURIER. Zwar habe die Ukraine eine Erklärung abgegeben, wonach sie dem Gericht die Zuständigkeit für Handlungen auf ihrem Gebiet zuspreche, es sei aber fraglich, ob das reiche.
Sollte der IStGH nicht zuständig sein, wäre noch eine Anklage durch den UN-Sicherheitsrat möglich, so Obwexer – in dem Russland allerdings bekanntlich ein Vetorecht besitze. Und selbst wenn es eine Anklage gegen Putin oder andere Verantwortliche gäbe, müsste man derer erst habhaft werden, um sie vor Gericht stellen zu können.
"Signalwirkung"
Jedenfalls würde ein Verfahren sehr lange dauern und könne den Verlauf des Konflikts kaum beeinflussen, so Obwexer. Die Ankündigung von Ermittlungen habe aber eine gewisse Signalwirkung an Befehlshaber, keine Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu begehen, etwa durch den Einsatz verbotener Waffen oder den Beschuss ziviler Gebiete.
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