Er zieht noch an seiner Zigarette, dann sagt er: "Ruhm der Ukraine!"
Die Schüsse, die danach folgen, sind ohrenbetäubend. Der Soldat sackt in sich zusammen, sein Körper liegt im Schützengraben. Hinter der Kamera hört man jemanden sagen: "Schlampe".
Das Video, das seit Kurzem durchs Netz geistert, zeigt offenbar einen Ukrainer in Kriegsgefangenschaft, Timofej Schadura habe er geheißen, gab der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte am Dienstag bekannt. Der Soldat sei seit Anfang Februar vermisst gewesen, zuletzt sei er in Bachmut im Einsatz gewesen. "Das Video ist grauenhaft. Und es ist ein weiterer Beweis für den Völkermord, den die Russen an den Ukrainern verüben", twitterte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba dazu. Kiew hat den Internationalen Strafgerichtshof gebeten, Untersuchungen einzuleiten.
Woher das Video stammt und ob es tatsächlich echt ist, lässt sich nur durch eingehende Erhebungen beweisen. Es wäre allerdings nicht das erste Mal, dass russische Soldaten sich über die Genfer Konvention hinwegsetzen und Selbstjustiz an Kriegsgefangenen verüben – und das auch dokumentieren. Im Juli kastrierten und ermordeten Russen ukrainische Kriegsgefangene vor laufender Kamera, und im Herbst wurde ein Video publik, in dem Wagnersöldner einen Kämpfer aus ihren eigenen Reihen hinrichteten, der in ukrainische Kriegsgefangenschaft geraten war – sie erschlugen ihn mit einem monströsen Vorschlaghammer.
Wie viele derartige Verbrechen im Laufe des Krieges bereits begangen wurden, ist derzeit kaum zu sagen. 65.000 Kriegsverbrechen von russischer Seite habe man bisher dokumentiert, sagt Andriy Kostin, Generalstaatsanwalt der Ukraine, darunter die Morde in den besetzten Gebieten wie Butscha oder Borodjanka ebenso wie die systematischen Folterungen in eigens dafür eingerichteten Kellern in Kherson oder die Verschleppung von Erwachsenen wie Kindern aus der Ukraine nach Russland.
Moskau hat dafür nie Verantwortung übernommen und die Vorwürfe stets bestritten.
Im Gegenzug hat man die Ukraine selbst oftmals der Kriegsverbrechen beschuldigt. Viele davon wurden durch Experten anhand von Datenforensik meist recht bald entkräftet; etwa jene Vorhaltung, dass Kiew für das Bombardement auf das Oleniwka-Gefängnis im besetzten Donbass verantwortlich sein soll – dabei kamen 50 Asow-Kämpfer ums Leben. Daneben gibt es aber durchaus auch Hinweise auf Kriegsverbrechen von ukrainischer Seite. Das Hochkommissariat der Vereinten Nationen für Menschenrechte etwa berichtete in einem kürzlich publizierten Report von Folter, koordinierten Schlägen zur "Begrüßung" der Häftlinge und auch von Taser-Attacken durch ukrainische Beamte. Dies hat man bei der Befragung von 175 russischen Soldaten eruiert.
Das Hochkommissariat will dies allerdings nicht als Gleichsetzung verstanden wissen, fügte man hinzu – während Moskau jegliche Mitarbeit an der Aufklärung verweigere, hat Kiew in vielen Fällen umgehend Konsequenzen gezogen und Untersuchungen gehen die Beamten eingeleitet.
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