Ukraine kündigte Gegenoffensive bei Bachmut an

Ukraine kündigte Gegenoffensive bei Bachmut an
Die Ankündigung erfolgt einen Tag nach Besuch von Selenskij an der Front. Die Russen rückten im Frontabschnitt Kreminna vor.

Die Ukraine bereitet nach eigenen Angaben nahe der seit Monaten heftig umkämpften Stadt Bachmut im Osten des Landes einen Gegenangriff auf die russischen Streitkräfte vor. Die Russen erzielten wiederum am Donnerstag im Frontabschnitt Kreminna Geländegewinne von teilweise mehreren Kilometern. Während Experten russische Ankündigungen, die Panzerproduktion massiv zu steigern, kritisch betrachten, wurden erste MiG-29-Kampfjets aus der Slowakei in die Ukraine überstellt.

Die russischen Truppen verlören "deutlich an Kraft" und seien "erschöpft", erklärte der Befehlshaber der ukrainischen Bodentruppen, Oleksandr Syrskyj, am Donnerstag im Onlinedienst Telegram zur bevorstehenden Offensive. "Wir werden diese Gelegenheit sehr bald nutzen, so wie wir es bei Kiew, Charkiw, Balaklija und Kupjansk getan haben".

Einen Tag nach einem Besuch an der Front bei Bachmut im Osten seines Landes hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskij die teils von Russland zurückeroberte südukrainische Region Cherson besucht. Er habe "mit den Einheimischen über ihre Probleme und Bedürfnisse gesprochen", so Selenskij in einem Beitrag in Onlinenetzwerken. Demnach stand bei Selenskijs Besuch der Wiederaufbau in der Region Cherson im Fokus.

Säuberungsaktionen

Russische Truppen und Sicherheitsdienste begannen indes nach Erkenntnissen des ukrainischen Generalstabs mit sogenannten Säuberungsaktionen unter der Bevölkerung des von ihnen kontrollierten Dnipro-Ufers in der Region Cherson. Dort habe in verschiedenen Siedlungen die Suche nach Bürgern mit pro-ukrainischer Einstellung, Militärrentnern und Mitarbeitern ukrainischer Strafverfolgungsbehörden eingesetzt, teilte der Generalstab in Kiew am Donnerstag in seinem täglichen Lagebericht auf Facebook mit.

In der Siedlung Nowa Kachowka dagegen sei eine großangelegte Razzia erfolgt. Dabei seien bei der Zivilbevölkerung große Mengen an Haushaltsgeräten, Schmuck und Mobiltelefonen "konfisziert" worden. Die Meldung, dass sich die russischen Truppen im Anschluss aus Nowa Kachowka zurückgezogen hätten, zog der Generalstab der ukrainischen Armee indes am Donnerstagabend zurück. Eine Erklärung wurde zunächst nicht gegeben. Nowa Kachowka liegt am Ostufer des Dnipro. Dorthin hatten sich russische Truppen im November zurückgezogen, nachdem sie wegen der ukrainischen Gegenoffensive Stellungen am Westufer des Flusses aufgegeben hatten.

Unterdessen haben im Osten der Ukraine russische Truppen bei schweren Kämpfen nahe der Stadt Kreminna die ukrainischen Truppen zurückgedrängt. "Russland hat teilweise die Kontrolle über die unmittelbaren Zugänge nach Kreminna zurückerlangt, die Anfang des Jahres einer unmittelbaren ukrainischen Bedrohung ausgesetzt war", berichtete das britische Verteidigungsministerium am Donnerstag in London unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse.

Russische Truppen wollen "Sicherheitszone"

"An einigen Stellen hat Russland Geländegewinne von mehreren Kilometern gemacht". Nun wollten die russischen Truppen vermutlich eine "Sicherheitszone" westlich ihrer vorbereiteten Verteidigungsstellungen errichten, hieß es weiter. Dabei würden sie vermutlich den Fluss Oskil als natürliches Hindernis einbeziehen und zudem versuchen, den Logistikknotenpunkt Kupjansk zurückzuerobern.

Russland will in diesem Jahr 1.500 Panzer für den Krieg gegen die Ukraine produzieren. "Der militärisch-industrielle Komplex ist heiß gelaufen", sagte der Vizechef des Nationalen Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview. Die Mehrheit der Rüstungsbetriebe arbeite im Drei-Schichten-System. Experten bezweifeln, dass sein Land solche Mengen herstellen kann. Die derzeitige Produktionskapazität wird auf 250 Panzer pro Jahr geschätzt.

Internationale Militärexperten halten auch Russlands Pläne zum Ausbau ihres Luftverteidigungssystems für unrealistisch. Verteidigungsminister Sergej Schoigu hatte am Mittwoch erklärt, dass Moskau die Modernisierung ihres Raketenabwehrsystems dieses Jahr abschließen werde und in den kommenden Monaten spezielle Luftverteidigungstruppen gebildet werden sollten.

Nach Einschätzung des Instituts für Kriegsstudien (ISW) ist es jedoch unwahrscheinlich, dass das russische Militär solche Kräfte innerhalb mehrerer Jahre - geschweige denn bis Ende 2023 - aufbringen könne. Die russische Verteidigungsindustrie wies bereits einen mehrjährigen Verzug bei der Entwicklung fortschrittlicher Luftverteidigungssysteme auf, bevor strenge Sanktionen des Westens die Ressourcenknappheit verschärften.

Kampfflugzeuge aus der Slowakei

Die Slowakei hat der Ukraine am Donnerstag die ersten vier ihrer insgesamt 13 versprochenen Kampfflugzeuge des sowjetischen Typs MiG-29 übergeben. Das gab Verteidigungsminister Jaroslav Nad auf Facebook bekannt. Die Beförderung der Flugzeuge aus der Slowakei in die Ukraine sei durch ukrainische Piloten in Zusammenarbeit mit der slowakischen Luftwaffe erfolgt.

Beim EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag wollte man den Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gegen Russlands Präsident Wladimir Putin "zur Kenntnis nehmen". Im Entwurf der Gipfelerklärung ist ein Hinweis auf mutmaßliche Kriegsverbrechen und die illegale Deportation von ukrainischen Kindern nach Russland enthalten. Der Beschluss der EU-Außenminister, eine Million neue Artilleriegeschosse in den nächsten zwölf Monaten an die Ukraine zu liefern, wurde vom Gipfel bestätigt.

Ungarn will hingegen den Haftbefehl des IStGH ignorieren. Putin würde nicht verhaftet, wenn er nach Ungarn käme, sagte der Stabschef von Ministerpräsident Viktor Orban, Gergely Gulyas, am Donnerstag. Es gäbe für eine Vollstreckung des Haftbefehls keine rechtliche Grundlage in Ungarn. Der IStGH in Den Haag verfügt über keine eigenen Polizeikräfte und ist darauf angewiesen, dass seine Mitgliedsstaaten Verdächtige festnehmen und überstellen.

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