Wie ein ukrainischer Gegenstoß gelingen könnte

Wie ein ukrainischer Gegenstoß gelingen könnte
Trotz der prekären Lage der ukrainischen Streitkräfte sind Analysten auf russischer Seite besorgt über die Möglichkeit eines ukrainischen Gegenstoßes.

Den Osten der Stadt Bachmut haben die russischen Streitkräfte definitiv unter Kontrolle, greifen – mit unterschiedlichem Erfolg – jedoch auch entlang der gesamten Frontlinie an. Gleichzeitig erlebte die Ukraine eines der härtesten Bombardements seit Beginn des Krieges: Einige Städte waren völlig ohne Strom, mindestens fünf Menschen kamen bei den Angriffen auf die Energie-Infrastruktur ums Leben. All das geschieht während kolportierten Verwerfungen zwischen Präsident Wolodymyr Selenskij und hochrangigen Militärs, die Berichten zufolge bereits vor Wochen aus Bachmut abziehen wollten, um eine Einkesselung und somit die Gefangennahme Tausender ukrainischer Soldaten zu vermeiden. Selbst die Zeitung „Kyiv Independent“ – zumeist von der Stärke der ukrainischen Streitkräfte überzeugt - schrieb am Wochenende über die unzureichende Ausrüstung und Versorgung ukrainischer Soldaten in Bachmut.

Russen besorgt

Etwa zehntausend Soldaten sollen sich noch im Westteil der Stadt befinden, die Versorgungslage wird immer schlechter: Die befestigten Straßen befinden sich in russischem Wirkungsradius, können also jederzeit beschossen werden. Andere Wege sind verschlammt, zahlreiche Fotos und Videos feststeckender Fahrzeuge sind im Umlauf. Tag für Tag steigen die Opferzahlen auf beiden Seiten massiv an, ein Menschenleben ist in Bachmut nicht viel wert.

Trotz der prekären Lage der ukrainischen Streitkräfte in der Stadt sind Analysten auf russischer Seite besorgt über die Möglichkeit eines ukrainischen Gegenstoßes.

„Mit dem Vormarsch der Wagner-Gruppe und der Befreiung von Siedlungen wird die Frontlinie immer breiter. Dies führt dazu, dass Soldaten zur Verteidigung und zum Halten der Stellungen gegen die Gegenangriffe der AFU an den Flanken abgestellt werden müssen“, analysiert der russische Telegramkanal „Rybar“. 

„In Ermangelung eines einheitlichen und koordinierten Vorgehens der Wagner-Gruppe und des Verteidigungsministeriums“ werde es immer schwieriger, die Flanken gegen Angriffe der ukrainischen Streitkräfte zu halten. „Mit der engeren Einkreisung Bachmuts besteht die Aussicht auf einen feindlichen Gegenangriff von Siwersk (im Norden), Minkiwka (Nordwesten) und Konstantinowka (Westen) aus.“

Damit könnte sich die Situation ergeben, dass die russischen Angriffstruppen rund um Bachmut selbst eingekesselt werden.

Wie ein ukrainischer Gegenstoß gelingen könnte

Der Militärblog spielt dabei auf die Zerwürfnisse zwischen Jewgeni Prigoschin und dem russischen Generalstab an – nach wie vor erhält die Wagner-Gruppe zu wenig Artilleriemunition, gleichzeitig wurde Prigoschins Stellvertreter beim russischen Generalstab der Zugang ins Ministerium verwehrt. Zu wenig Kommunikation könnte zur befürchteten Überdehnung der EInheiten führen und Lücken öffnen.

Nichtsdestotrotz ist die Wagner-Truppe maßgeblich am Vormarsch in Bachmut beteiligt und streicht heraus, dass Kiew derzeit acht neue Brigaden – bis zu 64.000 Soldaten – aufstellt, beziehungsweise aufgestellt haben soll, die für eine Gegenoffensive entlang der Front eingesetzt werden könnten.

Grundsätzlich sollen diese Kämpfer fast ausschließlich mit westlicher Ausrüstung ausgestattet werden – und derlei ist derzeit viel unterwegs: Vor wenigen Wochen wurden im deutschen Bremerhaven Hunderte US-Militärfahrzeuge und militärisches Gerät ausgeladen, auch die ersten Kampfpanzer sollen noch im März die Ukraine erreichen. Unklar ist allerdings, wie viele kampffähige Einheiten die Ukraine bei der Verteidigung Bachmuts verloren hat und inwiefern die neuen Brigaden als Ersatz für die abgekämpften Truppenkörper dienen müssen.

Bereits jetzt sollen zwei der Brigaden in die neue Verteidigungsstellung zwischen Kramatorsk und Konstantinowka, 20 Kilometer westlich von Bachmut, eingegliedert worden sein.

Einen Hinweis darauf, dass die ukrainische Gegenoffensive verstärkt im Süden der Ukraine stattfinden könnte, gibt allerdings eine kürzlich veröffentlichte Liste des Pentagons: In der jüngsten Lieferung war auch Gerät für Minenbeseitigung im Wert von 53,5 Millionen US-Dollar enthalten. Ein Posten, der bisher1,4 Millionen Dollar umfasst hatte. Vor allem am südlichen Frontabschnitt haben die russischen Streitkräfte massive Minengürtel angelegt, um einen etwaigen Gegenstoß aufhalten zu können. Ein ukrainischer Durchbruch bis zur Stadt Melitopol und weiter zum Asowschen Meer würde eine große Niederlage für den Kreml bedeuten – allerdings ist dies auch den russischen Streitkräften klar.

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