Acht Monate Ukraine-Krieg: "Ich hätte niemals meine Stadt verlassen"

Acht Monate Ukraine-Krieg: "Ich hätte niemals meine Stadt verlassen"
Zu Kriegsbeginn waren die KURIER-Reporter im Bombenkeller in Charkiw. Jetzt sind sie wieder dort – und sprechen mit Bewohnern über die letzten acht Monate.

"Hier haben die Russen ihr Ende gefunden“, deutet Serhij aus dem Fahrzeug auf die Ruine einer Schule, wenige Kilometer vom Zentrum Charkiws entfernt, er lächelt. Nach wie vor ragen die verrußten gelben Mauern des Gebäudes wie ein fauler Zahn in den grauen Himmel. Wo am 27. Februar russische Panzer von der ukrainischen Armee vernichtet wurden, fahren jetzt Autos die Schewtschenko-Straße entlang – nicht mehr raus aus der Stadt wie vor acht Monaten, sondern hinein.

Ein Drittel der Stadtbevölkerung hat die zweitgrößte Stadt der Ukraine, keine 30 Kilometer von der russischen Grenze entfernt, damals verlassen. Jetzt bessern Bautrupps die Schäden an den zerstörten Gebäuden aus, über der Hauptstraße hängt bereits die Weihnachtsbeleuchtung. Ob sie nun eingeschaltet wird oder nicht, viele verstehen es als klares Zeichen dafür, dass es in Charkiw wieder sicherer ist.

Acht Monate Ukraine-Krieg: "Ich hätte niemals meine Stadt verlassen"

Die russischen Granaten haben in ganz Charkiw ein Bild der Zerstörung hinterlassen – viele Bewohner erinnert das aber auch an die Vertreibung der russischen Soldaten aus der Stadt

Chaos und Furcht

Vor acht Monaten, sagt Serhij, 1,90 Meter groß, Glatze, „dachte ich, dass es das jetzt war. Wie jeder in meinem Bekanntenkreis.“ Die ersten Tage seien „das blanke Chaos“ gewesen, sagt der Charkiwer. „Ich war in meiner Wohnung, nicht weit von dieser Schule, als die Russen in die Stadt fuhren und vernichtet wurden. Die Schüsse, die Explosionen, waren ohrenbetäubend. Ich dachte, die Russen nehmen die Stadt ein und unsere Streitkräfte haben ihnen nichts entgegenzusetzen.“

Er verließ sein Haus gemeinsam mit seiner Familie, fand Unterschlupf in einer Parkgarage, wo die Armee Schlafsäcke zur Verfügung stellte. „Das Areal wurde geheizt, wir waren zumindest vor den Bomben geschützt. Die einzige Herausforderung war das tägliche Wasserholen außerhalb der schützenden Mauern“, sagt er. „Immer wieder schlugen Raketen ein, doch wir waren Hunderte durstige Menschen.“

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