Verfolgung Homosexueller in Uganda: Was der Westen damit zu tun hat

Verfolgung Homosexueller in Uganda: Was der Westen damit zu tun hat
Aktivist Travor Mukisa erzählt, wie drastisch die Lage für Homosexuelle in Uganda ist.

von Juri Wegner 

"Manchmal werden die Menschen sogar von ihren eigenen Familien umgebracht", sagt Travor Mukisa. Der junge Mann aus Uganda ist LGBTQ-Aktivist und Geschäftsführer der Menschenrechtsorganisation der "Muntu Foundation Uganda". Dort wurde im Mai 2023 ein Gesetz verabschiedet, das gleichgeschlechtliche Liebe mit der Todesstrafe bedroht. Mukisa war letzte Woche im Parlament in Wien und hat von der Lage vor Ort berichtet.

Der "Anti-Homosexuality-Act" verschärft die Lage für queere Personen massiv. "Schwere Homosexualität", dazu zählen unter anderem sexuelle Beziehungen, an denen mit HIV infizierte Personen beteiligt sind oder Sex mit als gefährdet eingestuften Gruppen, wird von nun an mit dem Tod bestraft. Allein der Versuch, sich mit homosexuellen Menschen zu solidarisieren oder Hilfe zu leisten, wird mit bis zu 20 Jahren Gefängnis geahndet. Das Gesetz wird von einer breiten Gesellschaft sowohl in als auch außerhalb von Ugandas Landesgrenzen unterstützt.

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Verschärfungen

Auch andere afrikanische Länder verschärften in letzter Zeit ihre LGBTQ-Gesetze und folgten so dem Beispiel Ugandas. Aktuell besteht die Sorge, dass das ganze wie eine Bewegung wird, die viele Länder ergreift und so immer mehr Menschen gefährdet. "Wenn das Schule macht, droht Verfolgung im großen Stil", sagt Grünen-Abgeordnete Ewa Ernst Dziedzic.

In über 32 afrikanischen Ländern ist Homosexualität bereits illegal. Immer mehr Staaten setzen auf menschenverachtende Strafen wie Steinigung, Vergewaltigung oder Vertreibung. Eine Flucht in benachbarte Länder wird dadurch zunehmend schwieriger, was viele Menschen zwingt, über illegale und gefährliche Fluchtrouten nach Europa zu fliehen.

Verfolgung Homosexueller in Uganda: Was der Westen damit zu tun hat

Travor Mukisa (m.) letzte Woche im Parlament in Wien, daneben Ewa Ernst-Dziedzic (r.)

Problem Obdachlosigkeit 

Laut Mukisa ist ein großes Problem die Obdachlosigkeit vieler queerer Menschen, da diese selbst von der eigenen Familie ausgegrenzt oder verstoßen werden. Finden Vermieter heraus, dass ihre Mieter homosexuell sind, lande man auf der Straße, denn das neue Anti-LGBQ-Gesetz verpflichte alle Bürger, jeden Verdacht auf Homosexualität zu melden. Gleichzeitig steige aber die Zahl queerer Menschen in Uganda - und somit auch die der Obdachlosen. Eine medizinische Versorgung in offiziellen Krankenhäusern sei zudem nicht möglich, da es dem Personal verboten sei, sie zu behandeln. Auch hätten queere Menschen geringere Jobchancen, wodurch die Armut in ihrem Bereich höher ist als in anderen Bevölkerungsgruppen. Der Hass geht so weit, dass zum Teil auf Dating-Apps vermeintliche Treffen vereinbart werden und bei einem Treffen homosexuelle Personen bedroht oder gar geschlagen werden. 

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Doch woher rührt das Ganze?

Laut Mukisa spiele der Einfluss des Westens eine wichtige Rolle bei der systematischen Verfolgung: Denn zum einen gibt es ausländische Geldgeber, die lokale Anti-LGBT-Organisationen finanziell unterstützen und die Situation so verschärfen. Vor allem radikale amerikanische Evangelikale haben enge Verbindungen auf dem Kontinent, führen Konferenzen durch und lassen Geld fließen. 2011 verklagte eine ugandische LGBTQ-Organisation einen amerikanischen Prediger, der unter anderem im ugandischen Parlament sprach und gegen Homosexuelle eiferte. Heute zeigen Kirchen angeblich bekehrte Homosexuelle, anhand derer die Heilung von Homosexualität belegt werden soll. Und dass, wer ihr trotzdem anhängt, es verdient, mit Gefängnis bestraft zu werden. Oder mit dem Tod.

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Zum anderen sei ein antikolonialer Gedankenansatz für die Situation verantwortlich, sagt Mukisa - viele afrikanische Länder verfolgen die Unabhängigkeit und Abgrenzung zur westlichen Lebensweise. Ugandas Präsident Yoweri Museveni sagte im März 2023, "westliche Länder sollten die Zeit der Menschheit nicht länger damit verschwenden, ihre Praktiken anderen Leuten aufzuzwingen."

Politiker und andere Mächtige der ugandischen Gesellschaft nutzen queere Menschen als Sündenbock für Probleme und hängen ihnen Verantwortung für die herrschende Armut an. Warum der Hass jedoch ausgerechnet jetzt in dem Ausmaß emporsteigt, ist vielen unerklärlich.

Appell an den Westen

Mukisa appelliert an westliche Regierungen, Hilfe zu leisten. "Wir wollen mit Regierungen in Europa zusammenarbeiten, die unsere Proteste unterstützen“, sagt er. "Wenn wir keine Hilfe von ihnen bekommen, von wem bekommen wir dann überhaupt Hilfe?" Inländische LGBTQ-Hilfsorganisationen wurden verboten, Menschenrechtsorganisationen jedoch nicht. Daher sind seither viele "neue" Menschenrechtsorganisationen entstanden.

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Überlegungen der ÖVP, Hilfszahlungen an Uganda zu kürzen, lehnt Mukisa ab. "Wenn sie die Hilfe für Uganda kürzen, trifft das auch die homosexuelle Bevölkerung." Zudem sagt der Aktivist, dass es die Ärmsten des Landes seien, die besonders homophob dächten. Strafen wären also gleich doppelt kontraproduktiv, da Aufklärungsarbeit nicht weitergeführt werden könnte.

Ewa Ernst Dziedzic sagt, dass es wichtig sei, "ein europäisches Bewusstsein" für die Situation zu schaffen. Sie spricht "von systematischer Verfolgung, nicht von einer kleinen Verschlechterung". 

Obwohl laut österreichischem Recht den verfolgten homosexuellen Menschen Asyl zusteht, nähmen dies nur wenige Geflüchtete wahr. Die Angst, vor Behörden die eigene Homosexualität einzugestehen, sei zu hoch. Dazu komme, dass manche Herkunftscommunities auch im Ausland Druck auf ihre homosexuellen Mitglieder ausüben und sie bedrohen. Ernst-Dziedzic spricht sich für eine Errichtung von Schutzräumen vor Ort aus und meint, der Zugang zur Gesundheitsvorsorge müsse verbessert werden. Laut Travor Mukisa braucht es vor allem lokale Unterstützung: "Viele wollen das Land nicht verlassen".

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