Verbot von "Homo-Heilungen" könnte im Juni in den Nationalrat kommen

Schon der Standort ist ein Statement: Am Platz vor dem Justizministerium in Wien veranstalteten der Wiener Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr und Nationalratsabgeordneter Yannick Shetty am Mittwoch eine Pressekonferenz, bei der sie auf die Situation der LBTIQ*-Community aufmerksam machten. Morgen, am 1. Juni, startet der "Pride Month".
Shetty kritisiert, dass die Justizministerin Alma Zadic ("ausgerechnet eine Grüne", wie er anmerkt) säumig sei. Ihr richtet er aus: "Es reicht nicht, im Pride Month eine Regenbogenfahne zu schwingen und nett zu lächeln."
Konkret fordert er das Verbot von Konversionstherapien - sprich: "Homo-Heilungen". Diese sind bis heute in Österreich erlaubt, dabei hat sich der Nationalrat bereits mit zwei einstimmigen Entschließungsanträgen klar für ein Verbot ausgesprochen. Erstmals 2018 (noch unter Türkis-Blau), dann noch einmal 2021.
Tatsächlich hat sich in der Sache etwas getan: Der KURIER hat beim ÖVP-Abgeordneten Nico Marchetti nachgefragt, der sich ebenfalls für das Thema engagiert hat. Er bestätigt: "Wir haben einen guten und juristisch sehr ausgewogenen Entwurf, der jetzt noch in politischer Abstimmung ist. Unser Ziel wäre, dass dieser noch im Juni im Parlament eingebracht wird."
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➤ Und: Fortschritte bei Verbot von Konversions-„Therapien“
Konversionstherapien kamen Ende des 19. Jahrhunderts in den USA auf, wo Ärzte versuchten, Homosexuelle mit Elektroschocks oder Lobotomien (neurochirurgische OP) zu „heilen“. In den 1990ern entwickelten sich in Europa christliche Jugendbewegungen. Für „Umpolungen“ gab es Sommercamps.
1991 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus dem Index der psychischen Störungen gestrichen, weshalb Ärzte und Therapeuten eigentlich keine Behandlungen mehr dagegen anbieten dürfen.
2013 hat der Weltärztebund Konversionstherapien als Menschenrechtsverletzung verurteilt, die Vereinten Nationen (UN) setzen die Methoden mit Folter gleich. Und 2018 stellte Papst Franziskus klar, dass Homosexualität auch aus Sicht der katholischen Kirche keine Krankheit sei und nicht therapiert werden müsse.
Dennoch werden Konversionstherapien in vielen Ländern noch praktiziert – etwa in Freikirchen oder im evangelikalen Bereich. Man nennt sie meist nicht offiziell „Therapie“, sondern „Seelsorge“ oder „Beratung in Lebensfragen“.
In Deutschland wurde die Durchführung oder Vermittlung von Behandlungen, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung zu verändern oder zu unterdrücken, 2020 verboten. Das Verbot gilt für Minderjährige und auch für Volljährige, die unter Zwang oder Täuschung eingewilligt haben.
In Österreich gab es 2018 einen einstimmigen Entschließungsantrag im Parlament, 2021 dann den zweiten. Ein Gesetzesentwurf für ein Verbot liegt jetzt, im Mai 2023, endlich vor und zwischen ÖVP und Grünen verhandelt.
Sicherheitsgefühl
Die Neos fordern zudem eine Kampagne gegen Diskriminierung. Shetty nannte die Niederlande als Beispiel: Dort hängen Plakate der Polizei in Nachtclubs, die der LGBTIQ*-Community suggerieren: "Wenn ihr euch bedroht fühlt - wir sind für euch da."
Ähnliches würde sich der Neos-Abgeordnete, der selbst homosexuell ist, sich von der österreichischen Polizei wünschen. Es gebe Gegenden in Wien und in den Landeshauptstädten, in denen er sich mit seinem Partner nicht sicher fühle, schilderte er.
Eine weitere Forderung richtet sich an das Bildungsministerium: Es brauche eine "qualitätsvolle Sexualbildung" in den Schulen. Es gehe nicht darum, Jugendliche zu "indoktrinieren", betonte Shetty, "sondern darum, dass diverse Lebensrealitäten gleichwertig dargestellt werden".
Händchen halten
Die Vielfalt, die im "Pride Month" zelebriert wird, stehe zunehmend unter Druck, sagten Wiederkehr und Shetty: Sechs von zehn schwulen und lesbischen Pärchen würden sich nicht trauen, im öffentlichen Raum Händchen zu halten. Vier von zehn haben in ihrer Familie und/oder am Arbeitsplatz schon einmal Diskriminierung erlebt.
"Das erste Mal seit Jahrzehnten erleben wir einen gesellschaftlichen Backlash, angetrieben in Europa von Ländern wie Ungarn oder Polen", sagte Shetty. Auch in Österreich gehe es zum ersten Mal seit vielen Jahren wieder rückwärts.
Die ÖVP schließe nicht aus, FPÖ-Obmann Herbert Kickl zum Kanzler zu machen, kritisierte Shetty. Der von ihm beschriebene Backlash gegen Homosexuelle würde dann auch in Gesetzen Form annehmen.
Wiederkehr verkündete bei dem Pressetermin vor dem Justizministerium, dass das bereits seit längerem angekündigte "queere Jugendzentrum" noch heuer, und nicht erst 2024 eröffnet werden soll.
Und: Das Denkmal für homosexuelle Opfer des NS-Regimes soll am kommenden Montag, 5. Juni, im Resselpark eröffnet werden (siehe Bericht oben).
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