Konversionstherapien kamen Ende des 19. Jahrhunderts in den USA auf, wo Ärzte versuchten, Homosexuelle mit Elektroschocks oder Lobotomien (neurochirurgische OP) zu „heilen“. In den 1990ern entwickelten sich in Europa christliche Jugendbewegungen. Für „Umpolungen“ gab es Sommercamps.
1991 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Homosexualität aus dem Index der psychischen Störungen gestrichen, weshalb Ärzte und Therapeuten eigentlich keine Behandlungen mehr dagegen anbieten dürfen.
2013 hat der Weltärztebund Konversionstherapien als Menschenrechtsverletzung verurteilt, die Vereinten Nationen (UN) setzen die Methoden mit Folter gleich. Und 2018 stellte Papst Franziskus klar, dass Homosexualität auch aus Sicht der katholischen Kirche keine Krankheit sei und nicht therapiert werden müsse.
Dennoch werden Konversionstherapien in vielen Ländern noch praktiziert – etwa in Freikirchen oder im evangelikalen Bereich, weiß Wahala. Seine Klienten kommen von dort. Man nennt sie meist nicht offiziell „Therapie“, sondern „Seelsorge“ oder „Beratung in Lebensfragen“.
In Deutschland wurde die Durchführung oder Vermittlung von Behandlungen, die darauf abzielen, die sexuelle Orientierung zu verändern oder zu unterdrücken, 2020 verboten. Das Verbot gilt für Minderjährige und auch für Volljährige, die unter Zwang oder Täuschung eingewilligt haben.
CDU-Gesundheitsminister Jens Spahn sagte, das Verbot sei „ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität hadern“. Die Botschaft lautet: „Es ist ok, so wie du bist.“
Österreich zieht jetzt nach: Kürzlich wurde im Nationalrat einstimmig (!) ein Entschließungsantrag verabschiedet, der sich am deutschen Gesetz orientiert.
„Liebe kennt keine Pole. Sexuelle Orientierung oder geschlechtliche Identitäten sind nichts, was therapiert werden muss“, sagt einer der Initiatoren, Neos-Mandatar Yannick Shetty. Einen solchen Beschluss gab es bereits 2019, die Übergangsregierung hat ihn aber nicht umgesetzt.
Jetzt sind die Grünen am Zug: Justizministerin Alma Zadić prüft mit dem Gesundheitsministerium, wie das Gesetz ausgestaltet werden soll. Sie sagt: „Diese Pseudotherapien können schwere psychische Schäden verursachen und sollten verboten werden.“
Als „Gehirnwäsche“ beschreibt sie Ex-Priester Wahala. Gearbeitet werde mit der höchsten Autorität: Gott. „Es heißt dann: Gott hat nur Heterosexuelle geschaffen, und wenn du anders fühlst, dann bist du auf einem Irrweg. Du bist krank.“ Dabei bediene man sich an Thesen der Psychoanalyse: „Ein abwesender Vater oder eine überemotionale Mutter werden als Ursache für eine Entwicklungsstörung genannt“, schildert Wahala. Es geht auch noch skurriler: Einem Betroffenen sei gesagt worden, er sei ein Kannibale, weil er als Mann einen Mann liebt. Einem deutschen Reporter, der sich bei Umpolungstherapien eingeschleust hatte, wurde vorgegaukelt, er sei von einem Dämon besessen, der ihm zusätzlich noch Rückenschmerzen verursache.
Welchen Effekt so etwas auf junge Menschen hat, könne man sich vorstellen, sagt Wahala: „Sie haben riesige Angst, ausgestoßen zu werden, Eltern und Freunde zu enttäuschen. Deshalb lassen sie sich auf diese Methoden ein, führen dann aber einen jahrelangen Kampf gegen die eigene Identität und sind gar nicht mehr in der Lage, eine echte Beziehung zu führen und Sexualität zu leben.“
Kirchliche Institutionen kritisieren, dass das geplante Verbot „ein schwerer Angriff auf die Therapie- und Religionsfreiheit“ sei und eine „professionelle Beratung von Menschen, die ihre Sexualität konflikthaft erleben“, möglich sein müsse.
Wahala stört der einseitige Zugang: „Es versucht ja auch niemand, Heterosexualität wegzutherapieren.“ Ja, es gebe Menschen, die ihre Homosexualität aus verschiedenen Gründen nicht leben wollen, weiß der Sexualtherapeut. „Wenn es ihre Entscheidung ist und sie das verkraften, dann kann man sie dabei unterstützen.“
Mit Gott zu drohen, sei jedenfalls kein professioneller Weg.
Illustration: Philipp Sulzer
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