Ministerin Zadic entschuldigte sich für strafrechtliche Verfolgung Homosexueller
Zadic: "Ich entschuldige mich für das geschehene Unrecht und für das lange Schweigen der Justiz"
Stellvertretend für die Justiz hat sich am Montag Justizministerin Alma Zadic (Grüne) für die strafrechtliche Verfolgung von homosexuellen Menschen in Österreich in der Zweiten Republik entschuldigt. "Ich möchte mein tief empfundenes Bedauern für das Leid und das Unrecht, das ihnen widerfahren ist, ausdrücken", sagte sie.
Anlässlich des "Pride Month" vom 11. bis 24. Juni kündigte die Ministerin auch die Schaffung einer Gedenkmöglichkeit an.
Die Justiz müsse einen "offenen und ehrlichen Umgang mit der Vergangenheit" pflegen, sagte Zadic bei einer Veranstaltung im Großen Schwurgerichtssaal am Wiener Landesgericht. Dazu gehöre es auch über die dunklen Kapitel zu sprechen. "Und zu diesen dunklen Kapiteln gehört auf jeden Fall auch die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen."
Daher möchte Zadic "diesen historischen Ort nutzen, um mich als Justizministerin stellvertretend für die Justiz in aller Form bei diesen Menschen, die in der Zweiten Republik aufgrund ihrer sexuellen Orientierung strafrechtlich verfolgt wurden, und bei allen Angehörigen aufrichtig entschuldigen", sagte die Ministerin in einer Rede.
"Diese Menschen wurden von Institutionen, die sie eigentlich hätte schützen sollen, in ihrer Würde und in ihrem Menschsein verletzt", sagte Zadic. Sie entschuldige sich auch für das "lange Schweigen" der Justiz.
Zadic kündigte die Schaffung einer Gedenkmöglichkeit an. "Wir müssen aus der Geschichte lernen und das kann nur gelingen, wenn wir uns ihr stellen und uns aktiv erinnern. Daher werden wir - unter Einbindung der Vertreterinnen und Vertreter der LGBTIQ-Community - eine würdige Gedenkmöglichkeit für die in der Zweiten Republik zu Unrecht aufgrund ihrer sexuellen Orientierung Verfolgten schaffen", sagte Zadic.
Die Ministerin erinnerte anlässlich des "Pride Month", dass Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, ihrer Geschlechtermerkmale oder ihrer Geschlechteridentität nicht diskriminiert und nicht ungleich behandelt werden dürfen. "Die Queer-Community ist und bleibt ein fester, nicht mehr wegzudenkender Bestandteil unserer Gesellschaft", so Zadic.
Die Community habe viel Leid erfahren müssen. In der Zweiten Republik wurden gleichgeschlechtliche Handlungen zunächst streng bestraft. Ein Aufbruch dieses Totalverbots begann erst 1971 "recht zögerlich und langsam" mit der Strafrechtsreform, berichtete die Justizministerin. In dieser Zeit von 1950 bis 1971 sind über 13.000 Menschen verurteilt und Existenzen zerstört worden, so der Wiener Historiker Andreas Brunner.
Anstelle eines Totalverbots wurden mit der Reform aber vier Tatbestände eingeführt, wie etwa der Paragraf 209 "Gleichgeschlechtliche Unzucht mit Jugendlichen", der erst 2002 abgeschafft wurde. Es brauchte somit bis ins neue Jahrtausend, "dass sich im Strafgesetzbuch keinerlei Kriminalisierung von gleichgeschlechtlichen sexuellen Handlungen mehr fand", sagte Zadic. "Aus heutiger Sicht klar menschenrechtswidrig."
Immer noch würden diese Menschen von Hass und Gewalt betroffen sein. Es brauche noch viele Schritte, mehr Aufklärung, Dialog und Schutz, damit sich alle in der Gesellschaft sicher fühlen können, erklärte die Justizministerin. Der Präsident des Landesgerichts Wien, Friedrich Forsthuber, dankte der Ministerin für die Initiative. "Sie setzten damit ein wichtiges Zeichen für die Bedeutung einer offenen Gesellschaft im demokratischen Rechtsstaat."
Die Homosexuelle Initiative (HOSI) Wien, NEOS und die SPÖ begrüßten die Entschuldigung von Zadic und Forsthuber. "Die Justizministerin übernimmt damit in historischer Weise Verantwortung für das Unrecht, das die Republik den Lesben, Schwulen, Bisexuellen, transgender, intergeschlechtlichen und queeren (LGBTIQ-)Menschen angetan hat. Das haben wir viele Jahre gefordert, und dass das zum 50. Jahrestag der Entkriminalisierung von Homosexualität und zur 25. Regenbogenparade aufgegriffen wird, freut uns besonders", sagte Sophie Otte, Obfrau der HOSI Wien, in einer Aussendung.
Auch die NEOS begrüßten die Entschuldigung, die zwar spät erfolgte, aber ein "sehr wichtiges Signal für alle Opfer ist. Gleichzeitig gebe es noch viel zu tun. Wie auch die HOSI forderten die NEOS unter anderem die volle Rehabilitation und Entschädigung für Opfer der Anti-Homosexuellen-Paragrafen des Strafgesetzbuches. "Wir appellieren dringend an die Grünen, dass sie sich endlich ihrer Werte besinnen und gemeinsam mit uns für eine Gesellschaft, in der alle Menschen ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität ohne Angst, Gewalt und Diskriminierung leben können, kämpfen", sagte NEOS-LGBTIQ+-Sprecher Yannick Shetty.
Umfassende Rehabilitierung und Entschädigung für die Opfer homophober Strafgesetze fordert auch die SPÖ. Über die Entschuldigung zeigte sich SPÖ-Gleichbehandlungssprecher Mario Lindner in einer Aussendung erfreut. Diese alleine reiche aber nicht aus. "Es ist höchste Zeit, dass wir den Worten in Österreich echte Taten folgen lassen. Nutzen wir diese heutige Entschuldigung, um möglichst schnell umfassende Entschädigungen für jene Menschen zu beschließen, die von unserer Republik aufgrund ihrer sexuellen Orientierung verfolgt wurden", forderte Lindner.
Für die kommende Sitzung des Nationalrats kündigte er dahingehend einen Antrag an, um möglichst schnell für die Entschädigung der Betroffenen zu sorgen - von den Regierungsfraktionen erhofft er gemäß der heutigen Entschuldigung Zustimmung.
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