Deutschland verfolgte gespannt einziges TV-Duell

epa03847093 A handout composite picture provided by German TV broadcasters ARD, RTL, Prosieben and ZDF shows German Chancellor Angela Merkel (upper row) and Chancellor candidate of the German Social Democratic Party (SPD) Peer Steinbrueck (lower row) during their TV election debate at the TV studio in Berlin-Adlershof, Germany, 01 September 2013. Germany will hold federal elections on 22 September. EPA/ARD/RTL/PROSIEBEN/ZDF / HANDOUT BEST QUALITY AVAILABLE HANDOUT EDITORIAL USE ONLY/NO SALES
18 Millionen Zuschauer waren vor den Bildschirmen, als Steinbrück und Merkel sich am Sonntag im TV duellierten. Raab überzeugte als forscher Moderator.

Sie trug eine Deutschlandkette in schwarz-rot-gold, er seinen grimmigsten Gesichtsausdruck. Am Sonntag trafen Angela Merkel (CDU) und Peer Steinbrück (SPD) im einzigen Fernsehduell des deutschen Wahlkampfs aufeinander. Umso war größer die Aufregung in der Bevölkerung – und naturgemäß bei den Spitzenkandidaten.

Deutschland verfolgte gespannt einziges TV-Duell
Und auf die Frage der Moderatoren, ob Steinbrück Politikergehälter hoch genug empfinden würde, antworte dieser: "Glauben Sie wirklich, dass ich darauf jemals wieder antworte?" Er hatte ja kürzlich für Aufregung gesorgt, als er erklärte, das Kanzlergehalt in Deutschland sei zu niedrig.
Vor den Bildschirmen saßen fast 18 Millionen Zuschauer (50,7 Prozent Marktanteil), im Hintergrund warteten die Faktenchecker auf Fauxpas der Kandidaten. Und auch die Moderatorenkonstellation dieses Jahr war ungewöhnlich. Neben gestandenen Politjournalisten wie Maybrit Illner (ZDF), Anne Will (ARD) und Peter Kloeppel (RTL) saß indiesem Jahr auch Entertainer Stefan Raabim Quartett der Interviewer.

Gleich zu Beginn des TV-Duells debattierten Kanzlerin Merkel und Peer Steinbrück über Steuern und einen Mindestlohn. Der SPD-Kandidat wirkte angespannt und aggressiv, Merkel hingegen etwas lockerer. Die Kanzlerin zeigte sich staatstragend, wirkte streckenweise aber auch müde. Die vier Moderatoren versuchten in der Live-Sendung vor allem Merkel aus der Reserve zu locken.

Raab verwirrt Merkel

Doch die blieb reserviert. Einzig Raab schaffte es, sie kurz aus dem Konzept zu bringen. Nach mehrmaligen Unterbrechungen empörte sich Merkel: "Darf ich bitte ausreden?".

Bei Themen wie dem Betreuungsgeld positionierte sich der SPD-Kandidat klar: "Das wird nach meinem Wahlsieg abgeschafft." Und auch zu einer Syrien-Intervention sagte Steinbrück klar nein. Themen wie Euro und Arbeitsplätze hingegen besetzte die Kanzlerin eindeutiger. Die von Horst Seehofer geforderte PKW-Maut lehnte sie klar ab. Grobe Schnitzer passierten beiden nicht.

Steinbrück angrifflustig

Steinbrück zeigte sich zwar angriffslustig - ob es für die Wähler vor den Bildschirmen gereicht hat, wird sich allerdings erst bei der Wahl am 22. September zeigen. In der SPD wurde im Vorfeld bereits gemunkelt, dass der Fernsehtermin Steinbrücks letzte Chance ist. Merkel liegt bisher bei allen Umfragen vorne. Entsprechend nervös war man in der SPD.

Das lag auch am Format des TV-Duells selbst. 90 Minuten, so lang wie ein Fußballspiel, dauerte der Showdown. Alles war fein säuberlich geregelt: Der SPD-Kandidat bekam im Studio die erste Frage, Merkel dafür das Schlusswort. Nur 60 bis 90 Sekunden Redezeit gewährten die Moderatoren pro Frage und Person. Für Überraschungen war wenig Platz.

Twitter-User lieben Raab

Lediglich Stefan Raab schaffte ein wenig Abwechslung. Sein Gewackel brachte Bewegung in die statische Runde, die direkten Fragen wirkten fast schon erfrischend. Auch auf Twitter hat Stefan Raab positive Resonanz hervorgerufen (siehe Reaktionen im Netz weiter unten). Geschlagen nur durch Merkels Deutschlandkette: Die schaffte es innerhalb von 30 Minuten auf Platz drei der aktuellen Twitter-Trends.

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Als Schlagabtausch angekündigt, entpuppte sich das TV-Duell am Sonntag als ruhiges, sachliches Geplauder. Merkel und Steinbrück beteten ihr Parteiprogramm herunter, blieben in der Konfrontation hinter den Erwartungen zurück. Die Kanzlerin wirkte müde, der SPD-Kandidat zumindest forsch und angriffslustig.

Merkel merkelte“ (Copyright: Spiegel Online) - wich also unangenehmen Fragen aus und kam nicht richtig aus der Reserve. Sie blieb über weite Strecken farblos, wenn auch souverän im Gespräch.

Steinbrück hingegen griff an: Ihm war eine Niederlage gegen die Kanzlerin prognostiziert worden, umso angespannter kämpfte er um den Schlagabtausch. Sein Lohn war ein unentschiedenes Duell. Weder er noch Merkel trugen einen klaren Sieg davon. Der SPD-Kandidat allerdings konnte stärker überzeugen, als im Vorfeld vermutet. Für Steinbrück ist ein 0:0 daher fast ein kleiner Sieg.

Weil CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl es ablehnte, sich seinen insgesamt fünf SPD-Herausforderern im Fernsehen auf Augenhöhe zu stellen, gab es in Deutschland das erste bundesweite TV-Duell erst 2002. Zwei Mal stritten SPD-Kanzler Gerhard Schröder und sein CSU-Herausforderer Edmund Stoiber – zum Teil ziemlich heftig. Im ersten Duell siegte der rhetorisch zuvor belächelte Stoiber überraschend, im zweiten souverän Schröder, der auch damit sein Amt verteidigte. Es hält mit 30,9 Millionen den Zuschauerrekord.

2005 lag Schröder schon weit hinten, doch er nützte das Duell, um den Abstand fast zu egalisieren. Die unprätentiöse CDU-Chefin Angela Merkel schlug sich zwar wacker. Aber als Schröder zuletzt überraschend persönlich wurde und seine (vierte) Frau spontan zur Heldin verklärte, blieb Merkel wenig mehr als ein ungläubiges Lächeln. Das immerhin noch 21 Millionen Deutsche sahen.

Ihr erstes Duell als Kanzlerin gegen den SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier wollten dann nur mehr 14 Millionen sehen, es war nur ein zivilisiertes Gespräch der Kanzlerin mit ihrem bisherigen Außenminister – und bereits so im Ablauf-Korsett wie das gestrige. Ihre Spannung enthalten die Kanzler-TV-Duelle vor allem wegen der politischen Bedeutung der Wahl.

Mehr Unterhaltungswert boten hingegen oft die TV-Duelle in Landtagswahlkämpfen. Immer noch Kult bei Feinschmeckern ist das Duell in Hamburg, als der SPD-Kandidat und selbst stilisierte Intellektuelle Michael Naumann beim lange geplanten Schlusswort den Faden total verlor, sein CDU-Gegner Ole von Beust gewann souverän.

Entscheidend für einen Wahlausgang war aber noch kein Fernsehduell. Am ehesten noch das in Schleswig-Holstein 2005, als der CDU-Bauer Peter Harry Carstensen die seit zwölf Jahren regierende SPD-Landeschefin Heide Simonis deklassierte wie nie jemand zuvor und danach.

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