Kanzlerduell: Steinbrück will Raab
Stundenlange Live-Wettbewerbe im „Arschbomben“-Springen, Eiskanalrodeln auf Wok-Bratpfannen oder gewalttätigen Autoverschrotten sind die Events, mit denen Berufskomiker Stefan Raab regelmäßig bis zu vier Millionen Zuschauer zum Sehen von ProSieben animiert. Das ist zwar immer noch weniger als Hansi Hinterseer mit seiner volkstümlichen Musik-Serie zum ARD-Hauptabendprogramm zog: Weil dessen Seher aber überwiegend das Alter der angeblich werberelevanten Zielgruppe überschritten hatten, wurde die gerade eingestellt. Raab hingegen, in der Branche „König des Unterschichtfernsehens“ genannt, darf nun aber seinen jüngeren, offenbar gelangweilten Fans sogar den Höhepunkt des Bundestagswahlkampfs schmackhaft machen. Er soll der volkstümliche Joker unter den Fragern sein, die das einzige Duell zwischen Kanzlerin Merkel (CDU) und ihrem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück moderieren.
Es wird zugleich von ARD und ZDF und den beiden größten Privatsendergruppen RTL und ProSieben-Sat.1 live ausgestrahlt. Jeder stellt einen Moderator, der in den 90 Minuten drei bis vier mal fragen darf. Während ARD und ZDF ihre beliebten, wenn auch nicht quoten-trächtigsten Talkmasterinnen und RTL den Chefredakteur nominiert haben, zögert ProSieben offiziell noch: Eine bessere Werbung als diese Diskussion hatte die Aktiengesellschaft lange nicht.
Nicht witzig
Angestoßen hat sie der frühere CSU-Chef und bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber, der heute unter anderem als Beirat von ProSieben-Sat.1 Geld verdient. Er meinte, dass dessen Quoten-Zugpferd ja auch jüngere Seher für Politik interessieren könnte, die sonst kaum fernsehen und auch seltener zur Wahl gehen würden als die Älteren.
Peer Steinbrück fand das anfangs gar nicht witzig und erklärte das damit, dass „Politik ein ernsthaftes Geschäft“ sei. Er lehnte Raab rundweg ab, wie oft aber ohne Rücksprache mit der SPD-Führung. Die zwang auch in dieser Petitesse ihren sich sonst so entscheidungsfreudig gebenden Kanzlerkandidaten zur 180-Grad-Wende: „Wenn Frau Merkel das nicht stört, wird es so sein“, gab er inzwischen klein bei.
„Frau Merkel“ hatte wieder einmal still abgewartet und überlässt laut ihrem Sprecher „wie immer die Entscheidung den Sendern“. Damit ist laut Bild sicher, dass Raab im Duell dabei sein wird.
Der sieht das als völlig gerechtfertigt: Er werde „am Katzentisch ein paar Fragen“ stellen“ und sei „dazu auch qualifiziert“ – immerhin mache er am kommenden Sonntag schon seine zweite Politdiskussion. „Mit mir kehrt die Seriosität zurück“, sagte Raab „nach dem Ansehen der ersten zehn Minuten des letzten Duells auf YouTube“ – offenbar ausnahmsweise ironiefrei.
Eine Umfrage des Handelsblatts ergab aber inzwischen, dass 53 Prozent der 14- bis 49-Jährigen sich das Duell trotzdem nicht ansehen wollen: Von Stefan Raab erwartet deren Mehrheit scheinbar noch Lustigeres.
Nicht viele hätten Ende der Neunziger darauf gewettet, dass der kauzige Viva-Moderator mit dem übertriebenen Zahnpasta-Lächeln und den nicht gerade flüssigen Moderationen zum Zampano des Unterhaltungsfernsehens avancieren wird.
Jus-Student und Lehrling
Der Sohn eines Fleischhauers mit eigenem Betrieb traut sich offenbar alles zu. Und fast alles was er in die Hand nimmt, wird auch zu Gold. Groß geworden ist Raab in der Medienstadt Köln. Was er einmal beruflich machen will, weiß er in Jugendjahren wohl selbst noch nicht genau. Nach der Matura 1986 studiert er erst einmal Jura - und macht dazu gleichzeitig eine Lehre als Fleischhauer im elterlichen Betrieb. Stefan Raab scheint damals schon das Allround-Talent zu sein, das er in "Schlag den Raab" ständig unter Beweis stellt.
Der nicht sonderlich attraktive Raab macht sich mit seiner Frechheit in der Show "Vivasion" einen Namen. Fünf Jahre moderiert er die Sendung, dazwischen produziert er Songs wie den Jürgen Drews Remix "Ein Bett im Kornfeld" oder das Song Constes-Lied "Guildo hat euch lieb".
"Zuviel auf die Kacke gehauen"
"Ich nehme die Gäste nicht mehr so hart ran, wie ich es früher getan habe"
so Raab zum Spiegel. Nach seiner Karriere bei VIVA als Sprücheklopfer auf Kosten anderer, gründet er 1998 seine Firma Raab TV - eine Tochter von der riesigen TV-Produktionsfirma Brainpool. Spätestens danach hatte der Tausendsassa vermutlich finanziell ausgesorgt.
Der Dauerbrenner
Er arbeitet im Akkord, liefert regelmäßig große Shows wie die Wok-WM, das TV Total Turmspringen oder Stockcar-Rennen, Sendungen zur Song Contest Vorentscheidung, Poker-Abende und "Schlag den Raab". Letztere zeigt, was Stefan Raab ausmacht, warum er so erfolgreich ist. Es ist der Wettbewerb, die Freude, mit jemand anderem in den Wettkampf zu treten, die ihn anspornt wie sonst vermutlich nur wenig. Er will gewinnen, um jeden Preis. Raab ist ein Ehrgeizler par excellence.
"Ich bin immer ein Freund des Wettbewerbs. Es macht doppelt so viel Spaß, bei irgendetwas mitzumachen, wo man sehen kann, ich war besser als Person X oder Y"
sagte er einmal zur FAZ. Im Schnitt gewinnt er zwei von drei "Schlag den Raab"-Sendungen. Beachtlich, wenn man bedenkt, dass die Zweier-Wettkämpfe in allen möglichen Sparten stattfinden - von Geschicklichkeitstests bis ihn zu Gedächtnisübungen.
Privat bleibt privat
Mehr als 100 Millionen Euro soll der Kölner schwer sein. Der Spiegel vermutet, er habe mittlerweile einen dreistelligen Millionenbetrag verdient. Wie RP-Online schreibt, sollen schon 2006 monatlich 500.000 Euro auf Raabs Konto gegangen sein.
Gewohnt wird in dem Villen-Viertel Hahnwald bei Köln. Hier haben sich auch Hans Mahr mit Katja Burkard, Hans Meiser oder Fußballtrainer Christoph Daum niedergelassen. Ein Sicherheitsdienst bewacht das exklusive Wohngebiet.
"Im Privaten bin eigentlich eher schüchtern",
erklärt Raab dem Spiegel 1998 in einem seiner seltenen, offenen Interviews. Können wir irgendwie nicht glauben, wenn wir uns seine Shows ansehen. Am Samstag gibt es eine neue Runde von "Schlag den Raab", nächste Woche ist dann wieder Turmspringen angesagt. Und einer wird wieder um jeden Preis gewinnen wollen.
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