EU-Beitrittsgespräche: Erdogan will Entscheidung bis Jahresende

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan
Von den Außenministern der Europäischen Union heißt es allerdings: keine gemeinsame Haltung zum Umgang mit der Türkei.

Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat von der EU eine Entscheidung über einen Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen bis zum Ende des Jahres gefordert. Andernfalls werde er ein Referendum veranlassen, sagte er am Montag in Ankara. "Als Staatspräsident sage ich, dass wir uns bis zum Jahresende gedulden, dann befragen wir das Volk."

Schon am Wochenende hatte Erdogan eine Volksabstimmung über einen Abbruch der Verhandlungen ins Spiel gebracht. In der EU herrscht Uneinigkeit über das Thema. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der am Montagabend zu politischen Gesprächen nach Ankara reist, äußerte sich zunächst nicht öffentlich zur Debatte.

Erdogan warf mehreren europäischen Ländern, darunter Deutschland, erneut vor, die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu unterstützen. Die PKK als Terrororganisation zu deklarieren, reiche nicht aus, sagte er. Man müsse gegen deren Anhänger vorgehen.

Keine Einigkeit zum Umgang mit der Türkei

Das Treffen der EU-Außenminister Montag in Brüssel hat keine Einigkeit zum Umgang mit der Türkei gebracht. "Eine klare Haltung der Mitgliedstaaten gibt es. Sie ist nur nicht überall die gleiche", sagte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP). Während sich sein luxemburgischer Kollege Jean Asselborn ähnlich kritisch zur Türkei äußerte, gab sich der britische Chefdiplomat Boris Johnson zurückhaltend.

Kurz sieht außerdem derzeit keine Chance weder für weitere EU-Beitrittsverhandlungen noch für eine Visabefreiung für die Türkei. Diese Bedingungen, welche die Türkei im Gegenzug für das Flüchtlingsabkommen verlangt habe, "sind aus meiner Sicht keinesfalls zu erfüllen". Seitens der EU würden zudem über 600 Millionen Euro an EU-Vorbeitrittshilfen in die Türkei fließen, "Gelder, die wir auch dringend diskutieren sollten". Kurz erwartet eine weitere EU-Debatte zur Türkei im Dezember.

EU wegen Verhaftungswelle besorgt

In ihrem jüngsten Fortschrittsbericht hatte sich die EU-Kommission "schwer besorgt" über die nach dem gescheiterten Putschversuch im Juli durch Präsident Erdogan angestrengte Verhaftungswelle gegen seine Gegner geäußert. Es habe "eine schwerwiegende Verletzung der Rechtstaatlichkeit" gegeben, sagte Erweiterungskommissar Johannes Hahn bei der Vorstellung des Berichts. Im Vorfeld des Außenministertreffens forderte der ÖVP-Politiker nun die EU-Staaten auf, eine "klare Orientierung" zu finden, "wie wir in den nächsten Wochen die Gespräche" mit Ankara führen sollen.

Bereits im Vorfeld des Treffens zeichnete sich keine gemeinsame Haltung unter den Außenministern in der Türkei-Frage ab. Der britische Außenminister Johnson betonte bei seiner Ankunft, es sei "sehr, sehr wichtig die Türkei in keine Ecke zu drängen". Außerdem riet er davon ab, "in einer Art und Weise zu überreagieren, die gegen unser gemeinsames Interesse ist". Die Türkei - ein NATO-Bündnispartner - sei in einer "sehr schwierigen Situation" gewesen, sagte Johnson im Hinblick auf den gescheiterten Putschversuch.

Asselborn: EU könne "nicht einfach zusehen"

Weniger Verständnis zeigte Luxemburgs Außenminister Asselborn. Die EU könne "nicht einfach zusehen", wenn die Türkei die Todesstrafe wiedereinführen wolle und Regierungsgegner massenhaft einsperre. "Keiner von uns will die Türkei fallen lassen, allerdings darf die Türkei uns auch nicht fallen lassen", sagte Asselborn. Der Luxemburger hatte zuletzt mit den Forderungen von Wirtschaftssanktionen gegen Ankara für Aufsehen gesorgt.

Der deutsche Außenminister Steinmeier, der kurzfristig wegen der Debatte um seine Präsidentschaftskandidatur noch vor dem Treffen der EU-Außenminister nach Berlin aufgebrochen war, will noch am morgigen Dienstag politische Gespräche in Ankara führen. Es ist Steinmeiers erster Besuch in der Türkei seit September 2015.

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