Türkische Politiker auf Konfrontationskurs mit Österreich

Türkischer Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu
Die Eiszeit zwischen Österreich und der Türkei hält an. Nach dem EU-Veto von Außenminister Sebastian Kurz findet sein türkischer Amtskollege Mevlüt Çavuşoğlu scharfe Worte. Er droht auch der EU.

Die Türkei hat nun scharf auf die Forderung Österreichs nach einem Einfrieren der EU-Beitrittsverhandlungen reagiert. Der türkische Außenminister Mevlüt Çavuşoğlu forderte, dass Österreich sein Verhalten gegenüber der Türkei ändern soll, berichtete das Ö1-"Mittagsjournal" am Donnerstag.

"Auf allen Ebenen gegen Österreich"

"Ihr solltet höflich mit uns umgehen, dann können wir mit euch wieder reden", sagte Çavuşoğlu in einem TV-Interview. Er werde von nun an "auf allen Ebenen und bei allen Themen gegen Österreich auftreten". Der türkische Politiker kritisiert außerdem: "Das Parlament verabschiedet dort Beschlüsse gegen die Türkei, sie berichten in den Medien schlecht. Sie wollen mit uns reden, ich werde aber nicht mit ihnen diskutieren."

Auch der türkische Europaminister Ömer Celik hat Österreich wegen seiner Haltung zu den EU-Beitrittsverhandlungen kritisiert. "Österreich sabotiert die EU", zitierte die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu Celik am Donnerstag.

Österreich hat sich in den letzten Wochen auf europäischer Ebene zum lautstärksten Kritiker der Türkei entwickelt. Am Dienstag haben sich die EU-Staaten nicht auf eine gemeinsame Erklärung zu den Beitrittsverhandlungen mit der Türkei einigen können. Als einziger Außenminister blockierte Sebastian Kurz (ÖVP) die gemeinsame Erklärung aller EU-Außenminister zur EU-Erweiterung und den Türkei-Beitrittsverhandlungen mit einem Veto. Kurz hatte ein Einfrieren der EU-Beitrittsgespräche verlangt, was die anderen EU-Staaten ablehnten. Die übrigen 27 EU-Länder vereinbarten einen vorläufigen Stopp der Ausweitung der Beitrittsverhandlungen.

Drohung gegen EU: "Letzter Vorschlag"

Diese Vorgänge auf EU-Ebene bezeichnete Außenminister Çavuşoğlu in dem TV-Interview als "irrelevant". Er richtete aber auch an die gesamte Europäische Union weitere drohende Worte: "Wann wird die Visabefreiuung endlich umgesetzt? ... Unseren Bürgern geht die Geduld aus, wir machen jetzt unseren letzten Vorschlag: Alle Versprechen müssen eingehalten werden, andernfalls suspendieren wir alle Vereinbarungen, auch den Flüchtlingsdeal".

Kurz: "Weiter offen für Dialog"

Außenminister Kurz erklärte am Donnerstag zu den Aussagen seines türkischen Amtskollegen: "Wir haben unseren Standpunkt gut begründet und klar dargelegt. Ich erwarte von allen, dass man sich sachlich auseinandersetzt. Wir sind weiter offen für den Dialog und Kooperation und schlagen die Tür nicht zu."

Kurz hielt laut einem Sprecher des Außenministeriums aber fest: "In den Fragen des EU-Beitritts sowie der Freiheitsrechte, der Pressefreiheit und Unabhängigkeit der Justiz, haben wir eine klare Meinung und behalten diese bei."

Türkische Politiker auf Konfrontationskurs mit Österreich
ABD0066_20161213 - BRÜSSEL - EUROPÄISCHE UNION: Österreichs Außenminister Sebastian Kurz am Dienstag, 13. Dezember 2016, anl. eines Pressegesprächs im Rahmen des EU-Außenministerrates in Brüssel. - FOTO: APA/AUSSENMINISTERIUM/DRAGAN TATIC
Çavuşoğlus Aussagen gegen Österreich bedeuten eine weitere Verschärfung des Tons zwischen den beiden Staaten. Bereits im August warf Çavuşoğlu Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) wegen dessen Forderung nach Abbruch der EU-Beitrittsverhandlungen "radikalen Rassismus" und "Lüge" vor. Ebenfalls im August wurde der türkische Botschafter aus Wien zurückgerufen.

Aufgrund der Spannungen zwischen Türkei und Österreich musste auch ein Archäologenteam aus Österreich seine Arbeit in der antiken Westküstenstadt Ephesus einstellen. Zuletzt suchte die Türkei offenbar auch in Österreich intensiv nach Anhängern des Netzwerkes um den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen, der für die Planung des gescheiterten Juli-Putsches in der Türkei verantwortlich gemacht wird.

Kern verteidigt Haltung in Türkei-Frage

Kern hat vor Beginn des EU-Gipfels in Brüssel Österreichs Blockade in der Türkei-Frage verteidigt. Gleichzeitig erklärte er am Donnerstag in Brüssel, es sei "kein Signal der Stärke, auf Dauer Blockadeübung zu betreiben, sondern Mehrheiten zu finden". Solange dies "nicht gelingt, haben wir die europäische Situation zur Kenntnis zu nehmen".

Er gehe davon aus, dass es am Gipfel "notwendig ist", die österreichische Position nochmals zu erklären, "die im Rat (der Außenminister, Anm.) keine Mehrheit gefunden hat. Vor dem Hintergrund haben wir zu akzeptieren, wie die Situation ist. Das haben wir auch in Österreich zur Kenntnis zu nehmen". Viele Kollegen hätten die Auffassung, "die Gesprächskanäle mit der Türkei offenzuhalten. Das haben wir zu akzeptieren. Unsere Aufgabe ist es, Partner zu finden", so Kern.

Nächster EU-Türkei-Gipfel im März

Der nächste EU-Türkei-Gipfel soll im März stattfinden. Dies hat EU-Ratspräsident Donald Tusk nach Angaben aus Ratskreisen am Donnerstag beim EU-Gipfel in Brüssel vorgeschlagen. Die EU hat im Zuge des Flüchtlingsdeals mit der Türkei neben finanziellen und politischen Zusagen auch regelmäßige EU-Gipfel mit der Türkei in Aussicht gestellt. Die EU ist bei solchen Gipfeln üblicherweise durch Ratspräsident Tusk und Kommissionschef Jean-Claude Juncker vertreten.

Das Verhältnis Türkei/Europa in der interaktiven Timeline:

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