Wie Erdoğan die Frauen verlor

Wie Erdoğan die Frauen verlor
Weibliche Wähler brachten Erdoğan einst an die Macht, jetzt könnten sie ihn stürzen. Eine unverheiratete Alleinerzieherin und eine Frauenrechtlerin erzählen über ihren Kampf.

Da war der Taxi-Fahrer, der ihr sagte, bei Problemen würde sich der Vater schon um alles kümmern. Die Nachbarin, die ihr anbot, einen Mann für sie zu finden, "denn das Wichtigste ist der Mantel eines Mannes in der Garderobe". Oder ein regierungsnaher Intellektueller, die öffentlich tönte, dass Frauen ab dem sechsten, siebten Monat Schwangerschaft nicht mehr "ästhetisch" seien und zuhause bleiben sollten. Der Ehemann könne sie ja im Auto herumfahren – um frische Luft zu schnappen.

Aslı Akdağ lebt heute in der Nähe von Istanbul, der KURIER erreicht sie via Videocall. Sie trägt ein leuchtend gelbes T-Short, ihre dunklen lockigen Haare fallen ihr auf die Schultern. Hinter ihr steht ein Regal mit blauen dicken Ringordnern.

Der Staat zahlt nicht

Akdağ ist Anwältin und Dokumentarfilmerin. Als sie 2019 schwanger wurde, ungplant und unverheiratet, entschied sie sich, die Monate ihrer Schwangerschaft auf Video festzuhalten, zur Erinnerung für ihren Sohn. Daraus wurde ein autobiografischer Dokumentarfilm, "Expecting a Grain of Sand", der 2021 erschien. Und das herausfordernde Leben einer unverheirateten, alleinstehenden Frau mit Kind in der Türkei offenbart.

"Ich habe auch viel Zuspruch bekommen für meine Entscheidung", sagt Akdağ heute. Von Frauen, die sich bedankten, dass sie sich traue, öffentlich zu ihrer Geschichte zu stehen. Doch sie erzählt auch, wie ihr das Freifahrtticket für Frauen mit Kleinkindern für die Öffis in Istanbul vorenthalten wurde – weil sie nicht verheiratet war. Auch sonst gibt es keine finanzielle Unterstützung der Regierung für alleinstehende Elternteile. "Es ist schwierig in einer männerdominierten Gesellschaft", seufzt die heute 42-Jährige.

Auf die Frage, ob Männer und Frauen in der Türkei gleichberechtigt sind, antwortet sie nur knapp: "Nein."

➤ Mehr lesen: Erdoğan macht sich die Welt, wie sie ihm gefällt

Kommentare