Erdogans "Säuberung": Ausreiseverbot für Akademiker

Ausreiseverbot, Denunzierungen, Suspendierungen, Verhaftungen und der Wunsch nach der Todesstrafe. Ein Überblick über Erdogans Maßnahmen nach dem Putschversuch.

Keine Woche nach dem Putschversuch in der Türkei versammelt sich am Mittwoch der Nationale Sicherheitsrat und das Kabinett zu Sitzungen. Es werde eine „wichtige Entscheidung“ fallen, kündigte Recep Tayyip Erdogan an. Ob es tatsächlich um die Wiedereinführung der Todesstrafe geht oder eine Änderung des Präsidialsystems, darüber wird spekuliert. Maßnahmen gesetzt hat indes Erdogan schon einige. Ein Überblick.

Weitere Einschnitte in die Pressefreiheit

Am Dienstag hat die Telekommunikationsbehörde RTÜK insgesamt 24 Radio- und Fernsehstationen die Sendelizenz entzogen.

Tausende Suspendierungen

Quasi in allen rechtsstaatlichen Bereichen erfolgten nach dem Putschversuch in der Nacht auf Samstag Suspendierungen und Entlassungen. Bekannt geworden sind:

  • 15.200 Staatsbedienstete in der Verantwortung des Bildungsministeriums
  • Rund 21.000 Lehrer an Privatschulen haben Lehrererlaubnis verloren
  • 9.000 Bedienstete des Innenministeriums, vor allem Polizisten und Gendarmen, am Mittwoch kamen noch einmal 900 Polizisten dazu
  • 100 Mitarbeiter des Geheimdienstes MIT
  • 257 Mitarbeiter der Staatskanzlei von Ministerpräsident Binali Yıldırım
  • 492 Mitarbeiter der Religionsbehörde Diyanet
  • Fast 3.000 Richter und Staatsanwälte wurden ihres Amtes enthoben und Dutzende weitere Juristen festgenommen
  • 1.577 Dekane und die Rektoren aller Universitäten wurden von der Hochschulverwaltung aufgerufen, ihren Rücktritt einzureichen

    Inoffiziell wird von insgesamt rund 50.000 Entlassungen oder Suspendierungen im öffentlichen Dienst geredet.

7.543 Verhaftungen

Seit dem Putsch am Freitag sind nach Angaben von Regierungschef Binali Yildirim 7.543 Verdächtige festgenommen worden, darunter 6.038 Soldaten und 26 Generäle sowie 100 Polizisten, 755 Richter und Staatsanwälte (das ist fast ein Fünftel aller Richter und Staatsanwälte) sowie 650 weitere Zivilisten.

Es ist mit weiteren Verhaftungen zu rechnen. Justizminister Bekir Bozdağ sagte gegenüber dem türkischen Fernsehsender NTV: "Das juristische Verfahren geht weiter." Was darunter genau zu verstehen ist, ist unklar.

Auslieferungsantrag

Für den Präsidenten Erdogan gibt es nur einen Schuldigen für den Putschversuch: Fethullah Gülen. Der ehemalige Weggefährte von Erdogan ist allerdings im Exil in den USA und damit außerhalb des Wirkungsbereiches Erdogans. Man bereite einen offiziellen Auslieferungsantrag an die USA vor, sagte Erdogan-Sprecher in Istanbul. Sollte die USA Gülen in Pennsylvania zu belassen, werde das Volk glauben, dass die Amerikaner "den Prediger schützen", fügte er hinzu.

Auslandsreisen untersagt

Im Zuge der "Säuberungswelle" hat die türkische Regierung ebenfalls Universitäts-Angehörigen Auslandslandsreisen "bis auf Weiteres" untersagt. Das berichtete der staatliche Fernsehsender TRT am Mittwoch, ohne weitere Details zu dem Verbot zu nennen. Uni-Mitarbeiter, die sich bereits zu Dienst- oder Forschungsaufenthalten im Ausland aufhielten, sollten überprüft werden und "so schnell wie möglich" in die Heimat zurückkehren, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu.

Denunzierung

Ebenfalls rief der Hochschulrat alle Hochschulrektoren auf, ihre Mitarbeiter im Lehrbetrieb und in der Verwaltung auf etwaige Verbindungen zur Gülen-Bewegung zu überprüfen. Das gelte auch für ausländisches Lehrpersonal. Ihre Berichte würden bis zum 5. August erwartet.

Denunziert werden soll offenbar auch in Europa. Anhänger Erdogans rufen auf Facebook in Österreich und Deutschland dazu auf, Erdogan-Gegner zu melden. Mehr dazu finden Sie hier.

Todesstrafe

Erst 2004 (die letzte Hinrichtung fand laut Amnesty International 1984 statt) abgeschafft, will Erdogan die Todesstrafe wieder einführen. "Wenn sie (die Parteien) bereit sind, das zu diskutieren, dann werde ich als Präsident jede Entscheidung des Parlamentes billigen." Es reiche, dass das türkische Parlament das entscheide. Die Abschaffung der Todesstrafe im Jahr 2004 sei dabei kein Hindernis. "Es sind keine Gesetze, die man nicht verändern kann." Bei dem Verbot der Todesstrafe in der Türkei handelt es sich allerdings nicht um ein einfaches Gesetz, um diese wieder einzuführen, bedarf es einer Änderung der Verfassung.

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