Trumps Rundumschlag vor dem TV-Duell
Obwohl Kristen Welker noch keine einzige Frage gestellt hat, ist die schwarze White House-Korrespondentin des Senders NBC bei Donald Trump bereits unten durch. „Sie war immer furchtbar und unfair“, sagt der Präsident über die Journalistin, die Donnerstagabend (Ortszeit) die letzte TV-Debatte zwischen Trump und seinem demokratischen Herausforderer Joe Biden vor den Präsidentschaftswahlen am 3. November moderieren wird.
Für den Amtsinhaber, der sich in Umfragen konstant im Sinkflug befindet und verzweifelt nach einer Last-Minute-Kehrtwende sucht, ist es die einzige Chance, vor Millionen-Publikum unentschlossene Wähler auf seine Seite zu ziehen.
Ross Douthat, einflussreicher konservativer Publizist der New York Times, gibt Trump eine Siegchance von 15 Prozent und sieht „wachsende Anzeichen“ dafür, dass der Präsident „aufgegeben hat“.
Stumme Mikrofone
Trump wirft der 44-jährigen Welker, der er bei anderen Anlässen schmeichlerisch höchstes Lob zollte, ohne jeden Beleg vor, sie sei pro Biden eingestellt. Noch mehr wurmt Trump, der in der ersten Debatte wegen Hyper-Aggressivität Schiffbruch erlitt und die zweite de facto verunmöglichte, Welkers neues Machtinstrument: Wenn Biden auf eine Frage der Moderatorin erstmals antwortet, bleibt Trumps Mikrofon für zwei Minuten stumm. Umgekehrt genauso. Das soll Schrei-Duelle verhindern.
Erst danach dürfen die Kombattanten in den Freestyle wechseln. Trump wird das torpedieren, sagt seine Nichte Mary Trump. Er „muss unterbrechen“ und „unhöflich“ sein, „weil eine substanzielle Diskussion über Politik desaströs für ihn ist.“
Vorgeschmack auf das, was heute dräut, gibt Trump seit seiner Entlassung aus dem Krankenhaus nach Corona-Rekordgenesung. Seine Kundgebungen, bei denen er auf die an Corona laborierende First Lady Melania Trump bisher verzichten muss, sind noch demagogischer geworden. Corona und die desolate Wirtschaft, die wichtigsten Themen für viele Wähler, werden von ihm „schöngeredet“, stöhnen Berater.
„Ausspioniert“
Stattdessen: Neben der Anklage, Amerika werde wie Kuba oder Venezuela verelenden, kämen Biden und die „radikalen Kommunisten“ der Demokraten ans Ruder, appelliert der Präsident an Justizminister Bill Barr, er müsse Vorgänger Barack Obama und dessen damaligen Vize Biden schnellstens anklagen. Trumps Behauptung, die vorherige Regierung habe ihn ausspioniert und ihm Kollaboration mit den Russen angedichtet, hält aber bisher keiner unabhängigen Prüfung stand.
Trump hoffte zudem, mit Enthüllungen über Biden und dessen Sohn Hunter in einem New Yorker Boulevard-Blatt die „Oktober-Überraschung“ erzeugt zu haben: ein überraschendes Ereignis, das der Wahl in letzter Minute eine Wendung geben sollte.
Aber die „Bombe“, die sein Privat-Adlatus Rudy Giuliani bei der Post platzierte, detonierte in die falsche Richtung. 50 ehemalige Top-Geheimdienstler von CIA, NSA, FBI & Co. werten die Enthüllung als Intrigen-Machwerk Russlands.
Trump macht das rasend. Er nennt CNN-Journalisten „dumme Bastarde“. Er wirft Reportern pauschal vor, „kriminell“ zu sein, wenn sie nicht über die Bidens berichteten. Ein Interview mit Lesley Stahl von der beliebten TV-Show „60 Minutes“ brach Trump vergrätzt ab. Er beschimpfte die CBS-Ikone auf Twitter als „falsch“ und „voreingenommen“.
Steuern in China gezahlt
Neuerdings beschuldigt Trump die Bidens korrupter Geschäfte mit China – ohne Beleg. Stattdessen taucht in Trumps Steuer-Unterlagen ein Konto bei einer chinesischen Bank auf. Danach hat Trump, wie sein Anwalt Alan der New York Times bestätigte, 2013 bis 2015 im Reich der Mitte für geschäftliche Aktivitäten knapp 190.000 $ Steuern entrichtet. Zum Vergleich: Trump hatte jahrelang in den USA keinen Cent Einkommensteuer gezahlt.
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