Trumps größte Fehler im Corona-Management

Nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 mit rund 3.000 Toten setzte der Kongress in Washington die „9/11-Komission“ ein. Dabei kam heraus, dass die Regierung von George W. Bush viele Anhaltspunkte für ein islamistisches Groß-Attentat besessen hatte. Die losen Enden wurden aber nicht rechtzeitig zu einem schlüssigen Bild zusammenfügt, um die Gefahr durch El Kaida/Osama bin Laden abzuwenden.
In der Coronavirus-Krise halten die Demokraten die Einrichtung eines ähnlichen Untersuchungsausschusses für unabdingbar, wenn das Gröbste überstanden ist. „Wir müssen wissen, was schiefgelaufen ist“, sagt der Spitzenpolitiker Adam Schiff, „und wie wir uns auf eine künftige Pandemie besser vorbereiten können.“ Für Schiffs Demokraten und weite Teile von Wissenschaft und Medien ist angesichts von bisher rund 220.000 Infektionen (weltweit beispiellos) und 5.200 Toten (Tendenz rasant steigend; Stand: Donnerstag, 15 Uhr MESZ) evident, dass die Regierung schwere Fehler gemacht hat. Eine Übersicht:
1. Die Hausaufgaben wurden nicht erledigt
Trump beteuert, der „unsichtbare Feind“ sei wie eine himmlische Plage via China über die USA gekommen. Tatsache ist: Bei der Amtsübergabe Ende 2016 hinterließ Vorgänger Obama Trump ein 64-seitiges Drehbuch, das sich detailliert mit den Gefahren einer Epidemie beschäftigte. Unter dem Code-Namen „Purpurne Verseuchung“ spielte zudem das US-Gesundheitsministerium 2019 ein umfangreiches Katastrophen-Szenario durch, bei dem durch ein neuartiges Virus 110 Millionen Amerikaner angesteckt werden und knapp 600.000 sterben.
Die wichtigsten Erkenntnisse – es mangelt in Amerika an Geld, Personal, Material und Koordination für eine solche Mega-Krise – decken sich mit der Arbeit der Johns-Hopkins-Universität. Sie hatte im Oktober ebenfalls in der Theorie den Ernstfall durchgespielt: Ein Virus, das von Fledermäusen auf den Menschen überspringt, löst binnen 18 Monaten eine globale Pandemie mit bis zu 65 Millionen Toten aus. Wer sich die Schlussfolgerungen vor Augen führt (www.centerforhealthsecurity.org/event201), erkennt die verblüffende Deckungsgleichheit zum realen Coronavirus.
2. Die Krise wurde ignoriert und verharmlost
Unter Wissenschaftlern und Medizinern in den USA gilt es als „Ursünde“, dass Trump wertvolle Zeit verstreichen ließ, um das Land besser auf die Epidemie vorzubereiten. Zwischen Anfang Jänner, als das Virus zum ersten Mal in der US-Öffentlichkeit Thema wurde, und Mitte März, als der Präsident schließlich den nationalen Notstand ausrief, sind Dutzende Äußerungen Trumps überliefert, die diesen Tenor enthalten: „Wir haben alles im Griff.“ Und: „Das Virus wird vorbeigehen.“
Diese Bagatellisierung, sagen ehemalige Experten der Seuchenbehörde CDC, hat maßgeblich dazu beigetragen, dass die USA – anders als etwa Südkorea – nicht frühzeitig intensive Tests durchgeführt haben. Über die tatsächliche Verbreitung des Virus in der Bevölkerung können sich die Behörden bis heute kein verlässliches Bild machen.
Parallel dazu erleidet das rein profitgetriebene Gesundheitswesen einen Ermüdungsbruch. Fehlende Puffer zwischen Diagnose und Therapie sorgen für hohe Todeszahlen. Weil es immer noch an elementaren Dingen wie Atemschutzmasken, Handschuhen und Beatmungsgeräten fehlt, ist das medizinische Personal höchstem Ansteckungsrisiko ausgesetzt. Patienten, etwa im Hotspot New York, sind dem Tod geweiht. Die Versorgungsketten funktionieren nicht, weil die Zentralregierung und die Bundesstaaten nicht harmonieren.
3. Einige Kehrtwenden und viel Eigenlob
Trump vollzieht bei seinen täglichen Pressekonferenzen regelmäßig Metamorphosen. Erst vergleicht er Corona mit einer konventionellen Grippewelle, die sich von selbst verflüchtigen werde. Dann die abrupte Kehrtwende: Amerika stehe vor den schlimmsten Wochen seiner Geschichte und Hunderttausenden Toten. Seine Auftritte sind davon geprägt, sich ständig selbst zu loben, anderen die Schuld zu geben ( China, den Demokraten, den Medien), unter Missachtung von Expertenwissen Fakten zu verdrehen und falsche Erwartungen zu wecken (baldige Heilungsmethoden).
Die Verunsicherung in der Bevölkerung wächst so und mit jeder Meldung über neue Rekordstände bei Infektionen und Todesopfern.


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