Trump-Schock in Brüssel: "Wenn Europa jetzt nicht aufwacht - wann dann?"
Er kam sogar Trump selbst zuvor. Der neue alte Präsident hatte noch nicht zu seiner Siegesrede angesetzt, dann kamen schon die Glückwünsche und der Jubel aus Budapest. "Das größte Comeback in der Geschichte der Politik" kommentierte Viktor Orban über das Soziale Netzwerk X: "Ein Sieg, den die Welt wirklich dringend braucht."
Kommentare in dieser Deutlichkeit kamen in den ersten Stunden nach der Entscheidung vor allem von Europas Rechtspopulisten, wie eben Orban. So zeigte sich auch Geert Wilders, rechte Zentralfigur der niederländischen Politik, begeistert und sprach vom Beweis dafür, dass "man nie aufhören soll zu kämpfen."
In der EU-Zentrale selbst sorgte das Wahlergebnis eher für Katerstimmung und erste laute Mahnrufe - meist allerdings nur abseits der Kameras. So meinte ein hochrangiger Diplomat im EU-Rat: "Brauchen wir jetzt noch einen weiteren Weckruf?" Man müsse endlich lernen, gemeinsam zu handeln und nicht nur zu reden: "Wenn Europa jetzt nicht aufwacht, wann dann?"
Ganz offen äußert sich dagegen eine der wichtigsten Kontaktpersonen zwischen der EU und den USA gegenüber dem KURIER, Eva Maydell, Leiterin der USA-Delegation des EU-Parlaments: "Wir müssen die Probleme endlich nüchtern betrachten. Mit Trump kann man über das Thema Wettbewerbsfähigkeit offen reden. Man muss nur gut vorbereitet sein und Zahlen auf den Tisch legen, statt diplomatischer Floskeln."
Dass die EU auf einen Trump-Schock gut vorbereitet sei, das hört man hier in Brüssel seit Wochen. Man meint die Pläne für einen Gegenschlag auf jeden wirtschaftspolitischen Schnellschuss aus Washington quasi schon in der Schublade haben. Und zwar in der EU-Kommission, also der EU-Institution, die am schnellsten handeln kann – zumindest in den Bereichen, in denen ihr die gerade in Wirtschaftsfragen chronisch uneinigen EU-Staaten nicht dreinreden können.
Kurzfristig verhängte Zölle sind so ein Fall. Darum zerbrechen sich gleich mehrere Generaldirektionen in der EU-Kommission den Kopf darüber. Die Koordination hat das Büro von Kommissionschefin Ursula von der Leyen an sich gezogen, ein klarer Hinweis dafür, wie ernst und wie dringlich man die Sache hält.
Klare Fronten mit China
Klar scheint allen maßgeblichen Vertretern in der EU, dass Trump vor allem eine neue harte Linie gegenüber China fahren wird - und die EU, so kommentiert das ein Diplomat, müsse daher, "ihre eigene China-Politik gestalten."
Strafzölle gegen Autos aus Europa hat der Republikaner bereits angedroht, außer man sei bereit, mit Washington gemeinsame Sache gegen China zu machen. Diese Härte aber kann sich Europa nicht erlauben, könnte daher eher den Handelskonflikt mit den USA akzeptieren als jenen mit China. „Trump könnte Europa dazu bringen, eine versöhnlichere Haltung gegenüber China einzunehmen“, analysiert Handelsexperte Noah Barkin gegenüber Euronews.
"Eine Katastrophe für das Klima"
Doch Handelskonflikte sind nicht die einzige Problemzone, in der sich die EU jetzt nach Trumps Sieg sehr schnell orientieren muss. Für die Klimapolitik und damit auch den Green Deal der EU ist die neue Ausrichtung in Washington auf jeden Fall ein schwerer Schlag - und gerade die Grünen in Brüssel sind sich dessen schon jetzt schmerzlich bewusst. "Das ist ein schreckliches Ergebnis für unser Klima", kommentiert etwa die grüne EU-Abgeordnete Anna Cavazzini. Trump werde wohl ein Fürsprecher für die amerikanische Ölindustrie und fossile Energie sein.
Auch hat der Republikaner schon vor der Wahl klar gemacht, dass er den Krieg in der Ukraine rasch beenden will - auch wenn die dafür Gebiete an Russland abtreten muss. Will Europa die Ukraine weiterhin dabei unterstützen, diesen Krieg zu führen, wird es das wohl alleine machen müssen – ohne US-Waffen und ohne US-Milliarden. Auch in dieser Frage liegen seit Monaten fertig ausgearbeitete Strategiepapiere auf den Schreibtischen der EU-Entscheidungsträger. Gemeinsame Verteidigung, gemeinsame Rüstungsprojekte, eine schlagkräftige Außenpolitik.
Sebastian Kurz: "professioneller Umgang miteinander"
Doch große Worte, meint auch Eva Maydell gegenüber dem KURIER, die würde die EU ohnehin mehr als genug produzieren: "Wir müssen endlich liefern, auch für die Bürger - und dazu müssen wir vor allem eines tun, pragmatischer denken und handeln, auch gegenüber den USA. Das ist jetzt der Test dafür, ob Europa wirklich auf Trump vorbereitet ist."
Ganz in diesem Sinn meldet sich auch Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz auf "Euronews" zu Wort. Kurz, der ja mit Trump ein bemerkenswert gutes Verhältnis hatte, fordert jetzt "eine professionelle Weise miteinander umzugehen". Es wäre auch für Europa an der Zeit, "Führungsstärke zu zeigen. Darauf aber seien in Europa, "manche gut vorbereitet - und manche eben weniger gut".
Kommentare