Ja! Denn der Wohnungsneubau in Nordamerika und in Europa befindet sich unter dem Niveau der Finanzkrise von 2008/09. Und trotzdem haben wir im Vorjahr ein Ergebnis vor Gewinn und Steuern von 811 Millionen verbucht. Vor 15 Jahren sind es nur rund 150 Millionen gewesen. Das zum Vergleich. Ich bin also sehr zufrieden, wie sich unser Unternehmen derzeit behauptet. Besonders vor dem Hintergrund politischen Versagens.
Was oder wen meinen Sie damit?
Die ganze EU-Energietransformation ist eine Ho ruck-Politik, die ihresgleichen sucht in der Wirtschaftsgeschichte. Der Umstieg von fossilen Energieträgern auf nachhaltige ist absolut zu unterstützen. Aber dazu braucht es Jahrzehnte und nicht ein paar Jahre, wo man einfach dann die ganze Wirtschaft gefährdet.
Ist die Talsohle bald durchschritten?
Das kann man nicht sagen, weil die Zeiten sehr instabil sind. Außerdem entwickeln sich einzelne Märkte sehr unterschiedlich.
Inwiefern?
Die deutsche Wirtschaft steht. Und wenn der europäische Konjunkturmotor steht, hat Europa ein Problem. Irland und Großbritannien haben sich zum Teil davon abgekoppelt. Sie entwickeln sich im Wohnungsneubau, in der Sanierung und in der Infrastruktur positiv.
Aber generell haben wir Flaute. Was tut Wienerberger?
Wir fahren permanente Kostensenkungsprogramme, indem wir Schichten anpassen bzw. runterfahren. So können wir die Baukrise steuern und uns der Nachfrage anpassen. Viel problematischer sind die sozialen Folgen, wenn sich junge Menschen keine Wohnung mehr leisten können.
Es gibt Politiker in Österreich, die dann sagen, dass zunächst der Leerstand genützt werden soll.
Dann fragen Sie diese Politiker, in welchem Land sie leben, denn es fehlt überall an leistbaren Wohnraum.
Jetzt wurde durch die Zinserhöhung im Vorjahr immerhin die Inflation eingedämmt.
Das hätte es nicht gebraucht. Der große Inflationstreiber waren die Energiekosten. Und das hat die Politik völlig verkannt. Hätten die EU-Staaten Grundnahrungsmittel mittels Mehrwertsteuersenkung billiger gemacht und mehr zielgerichtete soziale Unterstützung gewährleistet und die Energiekosten eingedämmt, hätte es nie eine solche Inflation gegeben.
Um wieviel höher sind die Energiekosten für Wienerberger in Europa im Vergleich zu den USA?
Um rund ein Viertel. Und wir kalkulieren langfristig für Europa auch weiterhin mit anhaltend hohen Energiekosten.
Nach Österreich. Wie beurteilen Sie die neue sich abzeichnende Regierung?
Ob die angepeilte Regierung zustande kommt, da sehe ich einige Fragezeichen. Wichtig ist, dass die Akteure die Interessen des Landes in den Vordergrund stellen und nicht ihrer Parteien. Wo soll Österreich in 30 Jahren stehen? In der Wirtschaft, in der Sicherheit, Gesundheit und der Bildung und in der globalen Welt? Das sind die zentralen Fragen.
Politiker denken aber nur in Legislaturperioden?
Das ist angesichts der Lage nicht mehr angebracht. Und man sollte über Werte nachdenken.
Welche Werte meinen Sie ?
Verantwortung. Wir alle mit Führungsfunktionen in dem Land, egal ob in Politik und Wirtschaft, haben eine gesamte Verantwortung für die Gesellschaft zu tragen und Vorbild für die Jugend zu sein. Und dazu braucht es auch Respekt. Respekt unabhängig von Herkunft, sozialem Hintergrund, Religion – und politischer Überzeugung. In meiner Studienzeit haben linke und rechte Politiker noch miteinander geredet. Dazu zählt auch Vertrauen. Das vermisse ich heute. Da wird man gleich als Linker oder Rechter abgestempelt, bevor man überhaupt etwas sagt.
Die Migration ist in Europa ein zentrales Thema. Was tun?
Ich würde die Migration nicht als Problem, sondern als Chance sehen.
Damit würden Sie aber keine Wahlen gewinnen.
Deshalb braucht es klare Regeln. Klarer Grenzschutz an den Außengrenzen. Und diejenigen, die nach Europa kommen, sollten sofort, also noch während des Asylverfahrens, in den Arbeitsprozess aufgenommen werden. Denn Arbeit verbindet, bringt die neue Kultur näher macht das Lernen der neuen Sprache leichter. Aber jemanden einfach nur stehen und warten lassen, das ist gar nicht gut.
Aber ein Job allein, bedeutet noch nicht Integration.
Deshalb wäre in weiterer Folge ein Staatsdienst erforderlich. Also ein Dienst für die Öffentlichkeit, etwa als Zivildienst. Ich würde mir auch eine Diskussion über einen verpflichtenden Militärdienst für die Migranten wünschen. Da werden jetzt alle aufschreien: Aber nur so lernen Menschen aus völlig anderen Kulturen unsere Kultur kennen.
Wie lange sollte so ein Staatsdienst dauern?
Ich könnte mir zwei Jahre vorstellen. Verbunden natürlich mit der entsprechenden Ausbildung, die nicht nur unsere Sprache fördert, sondern den Migranten auch unsere Werte vermittelt.
Und so würden sich die Migranten Ihrer Meinung nach integrieren lassen?
Absolut. Das sehe ich auch in unserem Konzern, wo wir viele Migranten beschäftigen, die bereit sind, unsere Kultur anzunehmen.
Themenwechsel: Es heißt, der Wirtschaftsstandort Europa haben gegen die USA und China keine Chance. Weil wir uns zu Tode regulieren.
Es gibt tatsächlich Politikerinnen und Politiker, die glauben, dass wir mit Regulierungswut einen Wettbewerbsvorteil erzielen. Die neue EU-Kommission sieht das denke ich anders als die alte.
Gibt es in den USA weniger Bürokratie als in Europa.
Das ist ein Irrglaube. Der Verwaltungsaufwand in den USA ist um nichts geringer als in der EU. Es gibt in Washington genau die gleiche Regulierungswut wie in Brüssel. Der Vorteil der USA besteht nur darin, dass sie ein größerer wirklich freier Binnenmarkt sind. Die EU hingegen ist ein Binnenmarkt mit vielen innereuropäischen Grenzhürden. Aber dafür haben die USA andere große Probleme.
Welche?
Die Migration ist in den USA eine weitaus größere Herausforderung als in Europa. Dann haben sie ein enormes Sicherheitsproblem. Und die Gesellschaft driftet stark auseinander. Nicht nur zwischen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen, sondern auch innerhalb. Bei den weißen Amerikanern sind großen Teile der Mittelschicht inzwischen verarmt. Dazu kommet der Schuldenberg. Den haben auch die Chinesen.
In China verschwinden zudem Manager und Unternehmer, wenn sie zu erfolgreich sind…
China hat eine junge Generation, die erfolgreich und innovativ ist. Das wird sich langfristig mit einem reaktionären kommunistischen System nicht mehr ausgehen.
Das heißt: Für Sie hat die EU gegen die USA und China eine Chance.
Absolut. Wir haben Forschung und Entwicklung, Innovation und Freiheit. All das müssen wir uns freilich bewahren. Dann hat Europa eine großartige Zukunft.
Über Wienerberger
Wienerberger ist mit mehr als 200 Produktionsstandorten gruppenweit in 28 Ländern der größte Ziegelproduzent weltweit und Marktführer bei Tondachziegeln in Europa sowie bei Betonpflastersteinen in Zentral-Osteuropa und bei Rohrsystemen in Europa. Neben Europa sind die USA ein Hauptmarkt. Der Konzern zählt mehr als 20.000 Beschäftigte. Wienerberger steht auf mehreren Standbeinen. Dazu zählen der Neubau, die Renovierung und Infrastruktur (Wasser- und Energiemanagement).
Die Immobilien- und Baukrise setzte dem Unternehmen zuletzt zu. 223,5 Millionen Euro Gewinn (Ergebnis nach Steuern) erzielte wienerberger im ersten Halbjahr 2023. Im ersten Halbjahr 2024 waren es nur noch 0,5 Millionen Euro.
Der Umsatz blieb stabil bei rund 2,2 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Gewinn und Steuern (EBITDA) sank von 448 auf 340,5 Millionen Euro. wienerberger-Chef Heimo Scheuch sieht die Halbjahresperformance wegen der global angespannten wirtschaftlichen und politischen Lage trotzdem als „solide“ an. Am 12. November werden die Zahlen zum dritten Quartal präsentiert.
Für 2025 kalkuliert Scheuch mit einer wirtschaftlichen „Seitwärtsbewegung“. Politisch rechnet er weder für die Ukraine noch für den Nahen Osten mit Frieden. „Die Auseinandersetzungen werden eher zunehmen“, sagt er.
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