Trumps Amtsenthebung gestartet - auch zehn Republikaner dafür
Eine Woche nach der blutigen Erstürmung des Kapitols in Washington durch Hunderte von ihm aufgestachelte Anhänger stehen die Zeichen für US-Präsident Donald Trump auf Amtsenthebung. Mit einer klaren Mehrheit von 232 Stimmen entschied das Repräsentantenhaus am Mittwochabend die Einleitung des Verfahrens.
Auch zehn Republikaner stimmten dafür, "ihren" Präsidenten wegen "Anstiftung zum Aufruhr" aus dem Amt zu entfernen. Vize-Präsident Mike Pence hatte zuvor die Forderung der Demokraten abgelehnt, Trump via Kabinettsbeschluss nach dem 25. Verfassungszusatz für amtsunfähig zu erklären und abzusetzen. Im Zuge des Sturms auf das Kapitol am 6. Januar waren fünf Tote zu beklagen.
Die prominenteste parteiinterne Gegnerin des Präsidenten ist Liz Cheney. Die Tochter des früheren Vize-Präsidenten Dick Cheney ist die Nr. 3. in der republikanischen Hierarchie im "House".
Vor der Abstimmung ging sie mit Trump vernichtend ins Gericht: "Es gab noch nie einen größeren Verrat durch einen Präsidenten der Vereinigten Staaten", schrieb sie in einer offiziellen Stellungnahme. Indem Trump bei seiner Rede am Mittag des 6. Januar den Mob angeheizt habe, das Parlament zur stürmen und so die Beglaubigung des Wahlsieges von Joe Biden zu verhindern, habe er auf unentschuldbare Weise seinen Amtseid verletzt.
Das Weiße Haus hatte zuvor nach eigenen Angaben für die am Abend erwartete Abstimmung mit bis zu 20 Abweichlern aus dem konservativen Lager gerechnet.
Damit ist Trump, beispiellos in der US-Geschichte, ab diesem Donnerstag zum zweiten Mal offiziell "impeached" - und das sieben Tage vor seinem regulären Ausscheiden und der Übergabe der Amtsgeschäfte an Biden.
Das könnte allerdings, wie schon bei der Premiere rund um die Ukraine-Affäre, ein Etappen-Sieg bleiben. Die Amtsenthebung würde erst beschlossen, wenn die zweite Kammer des Parlaments, der Senat, am Ende einer terminlich noch nicht feststehenden Erörterung ebenfalls auf Trumps Rausschmiss bestünde.
Um das zu bewerkstelligen, müssten die Demokraten 17 Republikaner auf ihre Seite ziehen, um die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit für den endgültigen Rauswurf Trump zu erlangen.
Kehrtwende
Die Lage hat sich durch die jüngsten Äußerungen von Senatsführer Mitch McConnell in der New York Times fundamental geändert. Danach hat der Senator aus Kentucky, bis vor kurzem ein enger Bundesgenosse des Präsidenten, mit Trump gebrochen und dessen Aktionen einer Amtsenthebung für würdig befunden.
Mehr noch: McConnell, der nach dem Scheitern der Republikaner bei der Stichwahl in Georgia demnächst nur noch Minderheiten-Führer im Senat sein wird, hat das von den Demokraten betriebene "Impeachment" gegenüber Vertrauten ausdrücklich begrüßt.
Trump los zu werden und eine etwaige Neu-Kandidatur des Unternehmers 2024 zu unterbinden, sei durch das Amtsenthebungsverfahren für seine Partei leichter geworden, berichtete das Blatt aus internen Gesprächen. Auffallend: Bis zur Stunde gibt es von McConnell kein Dementi gegen die Berichterstattung.
Trump wird zum zweiten Mal impeached
Was McConnells Kehrtwende ausgelöst hat, ist Gegenstand von Spekulationen. Trumps reuelose Aussage, seine Rede am 6. Januar sei "völlig angemessen" gewesen und Amerika sei nur wütend über die erneut gegen ihn laufende Hetzjagd, stößt vielen Parteigranden übel auf. Zum anderen könne McConnell nicht verwinden, dass die Republikaner unter Trump das Weiße Haus und beide Kammern des Parlaments an die Demokraten verloren haben. Trump erscheint in der Parteispitze - trotz 74 Millionen Wählern - als "Totengräber" der Republikaner.
Ausschlaggebend könnte auch gewesen sein, dass durch den Fortgang der FBI-Ermittlungen gegen bislang 170 Randalierer immer mehr Details bekannt werden, die illustrieren, in welch lebensgefährlicher Situation viele Parlamentarier bei der Erstürmung des Kapitols wirklich waren. Danach hatten einige der Rechts-Terroristen offenbar die Absicht und die nötigen Instrumente dabei, Politiker/-innen zu entführen oder gar zu töten. 70 Verfahren sind bereits eröffnet. Der zuständige Staatsanwalt Michael Sherwin spricht von Haftstrafen bis zu 20 Jahren.
Verstörend ist auch, dass ein FBI-Büro in Virginia am Tag vor der Gewaltexplosion massiv vor Ausschreitungen gewarnt hat, nachdem man Aufrufe von Extremisten zu Tötungsdelikten in verschlüsselten Chatrooms entdeckt hatte. Washington müsse sich auf "Krieg" einstellen, wurde die Bundespolizei in der Hauptstadt gewarnt, berichtet die Washington Post. Warum die Hinweise ignoriert wurden, ist Gegenstand von internen Untersuchungen.
Dass Trump mit seiner wochenlang erhobenen Behauptung von der "gestohlenen" Wahl und der Hetz-Rede am 6. Januar die Gefahrenlage heraufbeschworen habe, dürfe man keinem Präsidenten durchgehen lassen, heißt es im Umfeld McConnells.
Zumal FBI und Justizministerium Abgeordnete Anfang der Woche davon in Kenntnis gesetzt haben, dass es aus Extremisten-Zirkeln kontinuierlich schwerste Drohungen gegen sie gibt. Und dass die Ereignisse vom 6. Januar Teil einer "großen, wohl organisierten Verschwörung zum Aufruhr" gewesen sein könnten.
Dass der 78-jährige McConnell Donald Trump de facto zum Abschuss freigibt, wann immer auch die Abstimmung zur Amtsenthebung im Senat stattfinden würde, erschwert die bisherige Botschaft der Republikaner nachhaltig.
Dutzende Abgeordnete hatten bisher behauptet, eine Amtsenthebung Trumps sei Garant für noch mehr Hass und Gewalt unter den politisch verfeindeten Lagern im Land. McConnell sieht dagegen die Chance, die Republikaner neu aufzustellen, indem sie Trump zum Paria erklären und sich von ihm lossagen.
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