Trump: Keine neue Parteigründung, aber vielleicht neue Kandidatur
Trump liebäugelt mit Kandidatur 2024
Als wäre er nie weg gewesen. - Donald Trump kam am Sonntagnachmittag 70 Minuten zu spät zu seinem Auftritt beim Großschaulaufen der amerikanischen Ultra-Konservativen, kurz CPAC genannt.
Aber er brauchte nur zwei Atemzüge, um seinem ausgeprägten Narzissmus freie Bahn zu lassen: "Habt ihr mich schon vermisst?", fragte der abgewählte Ex-Präsident ganz am Anfang in den mit vielen Menschen ohne Corona-Schutzmasken gefüllten Saal eines Luxus-Hotels in Orlando/Florida.
Jubel, Jaaaa-Rufe und USA-USA-Gebrüll waren ihm bei seinem ersten öffentlichen Auftritt seit dem Abflug aus Washington am 20. Januar und der wenige Stunden später vollzogenen Amtseinführung Joe Bidens gewiss. In den 90 Minuten, die darauf folgen sollten, blieb der weitgehend am Teleprompter klebende 45. Präsident der Vereinigten Staaten wie ein Schuster bei seinen Leisten.
Trump liebäugelt mit erneuter Kandidatur 2024
Was bei Trump zunächst lautes Wehklagen über die angeblich zu seinen Lasten "manipulierte Wahl" bedeutet. Dann vernichtende Kritik an seinem Nachfolger ("der katastrophalste erste Monat eines Präsidenten in der modernen Geschichte"). Dann namentliche Bloßstellung seiner parteiinternen Kritiker im Amtsenthebungsverfahren ("Schmeißt sie alle raus!"). Dann jede Menge Selbstlob ("tollste Wirtschaft weltweit"). Und schließlich ein offensives Liebäugeln mit einer erneuten Kandidatur in vier Jahren. Was sich unwahrheitsgemäß so anhörte: "Wer weiß, vielleicht entscheide ich mich, sie (die Demokraten - d. Red.) ein drittes Mal zu schlagen." Jedenfalls sei die "unglaubliche Reise", die er zusammen mit seinen treuen Anhängern begonnen habe, "weit davon entfernt, zu Ende zu sein".
Denn dass die Wahl am 3. November vergangenen Jahres klar für ihn ausgegangen sei, ein Lügen-Kapitel das selbst seine treuen Weggefährten an der Spitze der republikanischen Partei gerne in Anerkenntnis des Biden-Sieges beerdigen würden, steht für den 74-Jährigen nach wie vor fest. Trumps neue Rechen-Logik dabei geht so: "Ich habe 12 Millionen Stimmen mehr als 2016 bekommen, da waren es 63 Millionen. Demoskopen haben uns gesagt, 66 Millionen reichen diesmal aus. Wir haben rund 75 Millionen gehabt. Was ist passiert?".
Wahl-Experten blieb angesichts der "Großen Lüge" (Big Lie) die Spucke weg. Ist doch erwiesen und juristisch wie parlamentarisch beglaubigt, dass Biden 81,3 Millionen Stimmen bekam und entschieden mehr Wahlmänner. Die Gäste der "Conservative Political Action Conference", die seit Donnerstag um mediale Aufmerksamkeit buhlte, gaben hingegen mit frenetischem Applaus "Du hast gewonnen! Du hast gewonnen!" zurück.
Trump klagt über Obersten Gerichtshof
Worauf sich Trump bitter über den Obersten Gerichtshof beklagte. Die Top-Richter-/innen, drei von ihnen hatte er persönlich berufen, hätten "nicht den Mumm und die Courage" gehabt, etwas gegen den "Betrug" zu unternehmen. Trump forderte substanzielle Wahlrechtsreformen, die Missbrauch ausschließen sollen. So verlangt er unter anderem eine Identifikationsüberprüfung der Wähler und radikale Einschränkungen bei der Briefwahl.
Trump will keine eigene Partei gründen
Wie es um Trumps Ambitionen für 2024 tatsächlich aussieht, weiß nach Einschätzung von Insidern "heute wohl selbst Trump nicht wirklich". Er verspricht zwar, keine neue Partei zu gründen und innerhalb der aus seiner Sicht auf Einheitskurs segelnden Republikaner weiter gegen "Demokraten, Sozialismus und Kommunismus" zu kämpfen, er nennt seine Gattin Melania Trump "unsere tolle zukünftige First Lady" - aber ein klares Ich-trete-definitiv-wieder-an-Bekenntnis kam ihm nicht über die Lippen.
Vielleicht eine weise Entscheidung. Eine nicht repräsentative Probeabstimmung (straw poll) sah Trump am Sonntag mit nur 55 % auf Platz 1 der Favoriten für die Präsidentschaftsnominierung in vier Jahren - falls heute abgestimmt werden müsse. Floridas Gouverneur Ron DeSantis folgte mit 21 %. 95 % der CPAC-Mitglieder fanden zwar, dass Trumps Politik eines USA-zentrierten Wirtschaftsnationalismus fortgesetzt werden müsse. Aber nur 68 % wünschen sich, dass der Unternehmer wieder für das Weiße Haus antritt. 32 % sind dagegen oder noch unentschlossen.
Partei-Insider gehen davon aus, dass Trump vor den Zwischenwahlen im Kongress im Herbst 2022 keine klare Ansage zu seiner politischen Zukunft machen wird. Der Grund: Er will dort als Königsmacher auftreten, der ausgewählte republikanische Kandidaten unterstützt und so die "Grand Old Party" wieder zur bestimmenden Kraft im Repräsentantenhaus und im Senat machen, wo heute die Demokraten die Mehrheit besitzen. Käme es so, sagte Trump, würde 2024 "ein republikanischer Präsident triumphal ins Weiße Haus zurückkehren". Kokett setzte Trump nach: "Ich frage mich, wer das sein wird, wer, wer, wer?".
Trump für viele Republikaner toxisch
Scheitert das Projekt hingegen, sagen Top-Republikaner inoffiziell, "würde sein Führungsanspruch massiv leiden. Etliche Spitzen-Republikaner, angefangen bei Senator Mitch McConnell, würden sich bereits heute am liebsten radikal von Trump lossagen. Sie halten ihn für toxisch und gemäßigten Wählerschichten nicht mehr vermittelbar.
Bei seiner Breitseiten-Kritik an Joe Biden, die von Faktenprüfern von Washington Post bis CNN später weitgehend "wahrheitswidrig" genannt wurde, konzentrierte sich Trump polemisch auf die Einwanderungs- und Grenzschutzpolitik. Vor sechs Wochen habe Amerika zu Mexiko noch die sicherste Grenze aller Zeiten besessen, behauptete er, heute dagegen drohe eine Flüchtlingswelle, die "Millionen" illegaler Einwanderer ins Land spülen werde, darunter viele Kriminelle - weil Biden und die Demokraten offene Grenzen propagierten; was erwiesenermaßen nicht stimmt.
Trump reklamiert sämtliche Erfolge bei der Entwicklung von Impfstoffen für sich
Wortreich reklamierte Trump sämtliche Erfolge bei der Entwicklung von Impfstoffen gegen das Coronavirus für sich. Was andere Präsidenten vielleicht in fünf Jahren geschafft hätten, sei ihm und den Republikanern in neun Monaten gelungen, sagte er. Joe Biden setzte lediglich um, was er angefangen habe.
Dass die USA mit über 500 000 Corona-Toten weltweit trauriger Spitzenreiter sind, und was das mit seiner über Monate zögerlichen und widersprüchlichen Politik bei der Bekämpfung der Seuche zu tun hat, erwähnte Trump ebenso mit keiner Silbe wie die tödlichen Ausschreitungen am Kapitol in Washington am 6. Januar. Dass sich der marodierende Mob, der an jenem Tag die parlamentarische Beglaubigung des Biden-Sieges verhindern wollte, zuvor bei einer Hetzrede Trumps mit Argumenten versorgt hatte, weist der Ex-Präsident bis heute von sich.
Ins Absurde glitt sein latent kraftloser und langweiliger, weil nirgends wirklich programmatisch nach vorn schauender Auftritt ab, als Trump die "Zerstörung des Frauen-Sports" prophezeite, weil unter demokratischer Führung Transgender-Menschen, in diesem Fall biologisch als Mann geborene Sportlerinnen, in der weiblichen Disziplin mitkämpfen dürfen. Auch seine Vorhersage, dass Bidens Energie-Politik, die mittelfristig klar auf erneuerbare Energieträger setzt, an der Tankstelle Benzinpreise von "fünf, sechs, sieben Dollar und mehr" pro Gallone erzeugen werde, löste allgemeines Kopfschütteln aus.
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