Trotz Legalisierung: Warum es in Deutschland noch immer keine Cannabis-Clubs gibt

Trotz Legalisierung: Warum es in Deutschland noch immer keine Cannabis-Clubs gibt
Eigentlich sind seit 1. Juli sogenannte Anbauvereine in Deutschland erlaubt. Doch behördliche Auflagen und neue Gesetze der Landesregierungen verhindern den Betrieb.

Was war nicht alles im Vorhinein befürchtet worden ab dem 1. April. Mit der Teillegalisierung des Cannabiskonsums in Deutschland kam die Sorge vor Massen an Drogentouristen, auch die österreichische Polizei kontrollierte massiv.

Dabei war der Verkauf von „Gras“ – also Cannabisblüten mit dem psychoaktiven Wirkstoff THC – zu diesem Zeitpunkt außerhalb von Apotheken noch gar nicht erlaubt. 

Erst ab dem 1. Juli sind sogenannte „Anbauvereinigungen“ gesetzlich zugelassen. Dabei handelt es sich nicht um klassische „Coffeeshops“, sondern um „eingetragene, nicht-wirtschaftliche Vereine“ zum „gemeinschaftlichen, nicht-gewerblichen Eigenanbau“, wie es im Gesetzestext heißt. Nur die dürfen Cannabis zum Eigenkonsum an ihre Mitglieder weitergeben. 

Spanische Cannabis-Social-Clubs als Vorbild 

Als Vorbild diente ursprünglich die Rechtslage in Spanien: Dort finden sich in allen Großstädten sogenannte Cannabis Social Clubs (kurz: CSCs), deren Mitglieder gemeinsam Cannabis anbauen und in den Clubräumlichkeiten konsumieren dürfen. 

Die CSCs dürfen nicht auf ihren Standort hinweisen, nicht für sich werben und müssen ein genaues Mitgliederregister führen. Wer beitreten will, muss in Spanien gemeldet sein und von sich aus Kontakt aufnehmen.

In Deutschland gilt das alles für die Anbauvereine auch – mit einem entscheidenden Unterschied, der erst Ende April in einer Gesetzesnovelle beschlossen wurde: „In den Vereinsräumlichkeiten ist der Konsum von Cannabis und sogar Alkohol verboten“, erzählt Werner Degenhardt, der ehrenamtlich als Pressesprecher für den CSC-München tätig ist, den ersten eingetragenen Verein dieser Art.

Mindestens 200 Meter Abstand zu öffentlichen Einrichtungen: "In München unmöglich"

Durch das Konsumverbot sei die Idee von Social Clubs nach spanischem Vorbild gestorben, aber auch Anbauvereine gibt es bis heute fast nirgends in Deutschland. Das liegt an der strengen Lizenzvergabe und behördlichen Auflagen, etwa beim Standort.

Geraucht werden darf in Deutschland nämlich nur in mehr als 100 Meter Entfernung zu Schulen, Kinderspielplätzen, Jugendeinrichtungen, Sportplätzen sowie tagsüber auch Fußgängerzonen.  

Wie sehr das die Möglichkeiten einschränkt, zeigt die Webseite „Bubatzkarte“ – in Städten wie München oder Berlin gibt es kaum Platz zum Rauchen. Für Anbauvereine ist die Auflage noch strenger, hier gilt ein Mindestabstand von 200 Metern zu den oben genannten Einrichtungen.  

Trotz Legalisierung: Warum es in Deutschland noch immer keine Cannabis-Clubs gibt

Der Anbau von bis zu drei Hanfpflanzen für den Eigenbedarf ist in Deutschland seit dem 1. April gesetzlich erlaubt - für nicht-kommerzielle Anbauvereine gelten dagegen deutlich strengere Auflagen.

„In München ist es quasi unmöglich, einen Standort zu finden“, meint Degenhardt. Sein Verein habe sich deshalb schon in nahe gelegenen Kleinstädten wie dem 25 Kilometer entfernten Ebersberg umgesehen. Doch auch das sei unrealistisch, „weil eine der Vorgaben ist, dass die Mitglieder sich aktiv am Vereinsgeschehen beteiligen müssen, worüber auch Protokoll zu führen ist.“

Vorstandsmitglieder haften bei Verstößen: "Enormes finanzielles Risiko"

Rene Schmitt ist eines der Gründungsmitglieder des CSC-München. Und er wäre, wie er sagt, „auch sehr gerne Gründungsmitglied des ersten Anbauvereins geworden“. Doch selbst wenn sich ein Standort finden würde, wäre die Aufgabe aus seiner Sicht aktuell zu riskant. 

Das in den Vereinen angebaute Cannabis muss nämlich medizinische Grenzwerte einhalten, wie Schmitt erklärt: „Um diese Qualität sicherzustellen, müssten wir hochqualifiziertes Personal anstellen, das lohnt sich für einen Verein mit 500 Mitgliedern nicht.“

Werden die behördlichen Vorgaben nicht eingehalten, haftet der Vorstand. „Das ist mit extremen finanziellen Risiken verbunden“, so Schmitt.

Eine weitere große Sorge sei der Datenschutz: „Man muss alles gründlichst dokumentieren, und diese Daten liegen dann bei der Regierung“, erklärt Schmitt. „Aber was, wenn es bei der nächsten Wahl einen Regierungswechsel gibt?“, fragt er und gibt selbst die Antwort: „Dann wissen die Behörden sofort, bei wem sie als erstes vorbeischauen.“

Bayrische Landesregierung zieht mit "Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz" nach

Als vorübergehende Lösung wollten die Mitglieder des CSC-München Biergärten für private Veranstaltungen mieten, um dort gemeinsam Cannabis zu rauchen. Doch auch das ist nicht mehr möglich, seit die bayrische CSU-Landesregierung in dieser Woche mit dem sogenannten Cannabisfolgenbegrenzungsgesetz den Konsum auch in Außenbereichen von Lokalen und auf Volksfesten wie dem Oktoberfest verboten hat.

„Das Cannabisgesetz war von Anfang an eine Totgeburt, die Landesregierung hat dem jetzt den letzten Rest gegeben“, klagt Schmitt. "Was daran so frustrierend ist: Kleindealer sind jetzt fast entkriminalisiert. Aber denen, die legales, qualitativ hochwertiges Cannabis in geschützten Räumen anbieten wollen, wird es verunmöglicht."

Nach der Zukunft der Anbauvereine gefragt, wirkt er konsterniert. Vorerst werde man sich darauf konzentrieren, „wieder politische, aktivistische Arbeit zu machen.“

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