Trotz des Krieges: Wo Russland gerade noch mit Europa kooperiert

Russlands Präsident Putin (l.) und sein Außenminister Lawrow
Da gibt es diese Hoffnung: Auch wenn Russland die Ukraine mit Krieg überziehe, morde, drohe und offenbar völlig irrational vorgehe, sei es auf anderen Ebenen doch „überraschend kooperativ“. So heißt es in höchsten europäischen Diplomatenkreisen, und man hat gleich ein paar Beispiele an der Hand:
Bei den schwierigen Verhandlungen zum Iran-Atomdeal etwa arbeitet Russland gut mit den anderen Partnern zusammen. Und auch auf dem Westbalkan oder in Syrien könnte Russland viel größeren Schaden anrichten, wenn es denn wollte, ist zu hören.
Fazit: „Der Kreml scheint sein aggressives Vorgehen bewusst zu kalibrieren“, sagt ein EU-Spitzendiplomat: Indirekt knüpft sich daran die Hoffnung, doch eines Tages wieder Draht zu einer konstruktiven russischen Führung zu finden.
„Dass Russland vorerst noch keinen größeren Schaden anrichtet, heißt noch lange nicht, dass es kooperativ ist“, widerspricht dem die frühere französische Diplomatin Marie Dumoulin. Die Russland-Expertin am Thinktank European Council of Foreign Relations weist besonders auf den Westbalkan hin: In Serbien lasse Russland nichts unversucht, den Einfluss der EU zurückzudrängen und zu stören.
Und im ohnehin dysfunktionalen Bosnien „hat Moskau die größten Möglichkeiten, das Land über die Republika Srpska zu destabilisieren“.
Fragiles Bosnien
So erkennt der Kreml bis heute den Hohen Repräsentanten der UNO für Bosnien und Herzegowina, Christian Schmidt, nicht an. Schmidt darf seine Berichte deshalb nicht dem UN-Sicherheitsrat vorlegen. Und mehr als fraglich ist derzeit auch, ob Russland im Herbst in der UNO seine Zustimmung für die Verlängerung der EU-Mission ALTEA in Bosnien gibt.
Auch Stefan Meister, Politologe und Russland-Experte bei der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik, äußert Zweifel: „Die russische Führung versucht, sich als eine verantwortungsvolle globale Macht darzustellen. Wenn es ins Interesse Moskaus passt, in einem bestimmten Konflikt eine konstruktive Rolle zu spielen, dann tut man das.“
Bei den Iran-Verhandlungen zum Beispiel habe Russland schlicht nichts zu gewinnen, „wenn es eine destruktive Rolle spielt“, führt Meister gegenüber dem KURIER aus.
Aber wenn es eben den Interessen Russlands widerspreche, dann schaffe Moskau eigene Formate und umgehe die Regeln: Zu sehen beim Vorgehen in Syrien oder im Konflikt um Berg-Karabach, wo Russland außerhalb der bestehenden Strukturen der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) eigene Formate geschaffen hat.
Blockade
Seit Jahren blockiert Russland den Menschenrechtsbereich bei der OSZE. Jetzt gibt es überdies Anzeichen, dass Russland die ganze OSZE blockieren könnte: Nicht in Form eines Austrittes, sondern durch den Stopp seiner Zahlungen. Dabei wäre es gerade die OSZE, der bei der Beendigung des russischen Angriffskrieges eine wesentliche Rolle zukäme.
Dass Russland die Gasexporte nach Europa stoppen könnte, glaubt Stefan Meister hingegen nicht: „Es ist in Moskaus Interesse, das Gas fließen zu lassen. Es würde überhaupt keinen Sinn machen, die Lieferungen zu unterbrechen.“
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