Thüringen-Wahl: Signale und Warnzeichen aus dem Osten
Rot-blau gescheckt, mit schwarzen Flecken, roten und grünen Sprenkeln – so zeigt sich die politische Landkarte nach der Wahl in Thüringen. Damit geht eine Serie an Abstimmungen im Osten Deutschlands zu Ende, vor der viele gezittert haben.
Was bleibt, ist die Erleichterung, dass die AfD nirgends stärkste Kraft geworden ist oder mitregiert. Aber auch die Gewissheit, dass die Parteien der Großen Koalition massive Verluste erlitten haben und Zweierbündnisse kaum noch möglich sind. In Sachsen wie Brandenburg regieren nun Schwarze, Rote und Grüne zusammen.
In Thüringen gibt es nicht einmal dafür eine Mehrheit. Andere mögliche Konstellationen sind ebenfalls schwach. Das Land könnte also zum Versuchslabor werden, was wohl die größte Besonderheit nach dieser Wahl ist.
Dazu gehört ebenso, dass ein linker Politiker zum Landesvater avancierte und die Partei wegen seiner Person auf mehr als 30 Prozent kam. Bodo Ramelow hat Stimmen von CDU, SPD und Grünen abgezogen. Er gilt vielen als Winfried Kretschmann des Ostens – der grüne Ministerpräsident, der heute das lange konservativ regierte Baden-Württemberg führt.
Bricht die CDU ein Tabu?
Dort hatte die CDU kein Problem, mit dem Mann zu regieren – in Thüringen, wo diese Variante eine Mehrheit hätte, ist das ein Tabu. Festgeschrieben in einem Parteitagsbeschluss, der keine Kooperation mit Linke und AfD vorsieht. Umso lauter wird nun debattiert, seit CDU-Spitzenkandidat Mike Mohring ankündigte, der Gesprächseinladung von Ramelow folgen zu wollen.
Was daraus wird, ist nicht absehbar. Annegret Kramp-Karrenbauer, angeschlagenen Parteichefin, machte kein Geheimnis daraus, dass es in der CDU rumort. Nicht nur wegen des Ergebnisses – nach Brandenburg landete die CDU in Thüringen ebenfalls hinter der AfD – sondern auch wegen ihr. Am Wahlabend twitterte ihr Konkurrent Friedrich Merz: „Das Wahlergebnis von Thüringen kann die CDU nicht mehr ignorieren oder aussitzen“, was er damit meinte, ließ er offen bzw. andere ran.
Der Chef der Jungen Union habe in der Vorstandssitzung „die Führungsfrage gestellt“, erklärte sie und wies jede Form von Rückzug zurück. Und gab sich kämpferisch: „Wer auch immer meint, die Frage müsse jetzt in diesem Herbst geklärt werden, hat auf diesem Bundesparteitag die Gelegenheit.“ Ende November stehen Debatten an. Auch mit Blick auf das Abschneiden der AfD.
Zulauf für Rechtsaußen
Dass die Partei wie in den anderen Bundesländern auf mehr als zwanzig Prozent kommt, war in den Prognosen absehbar. Was besorgt: Fast jeder vierte Wähler in Thüringen hat nicht nur das Kreuz bei der AfD gemacht, sondern damit auch beim rechtsnationalen „Flügel“, angeführt von Björn Höcke. Er wird vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall behandelt. Gewählt wurde er vor allem von früheren Nichtwählern, wie Analysen zeigen. Oder ideologischen Sympathisanten. Laut Thüringen-Monitor, einer seit 2000 stattfindenden Erhebung, stimmten zuletzt 47 Prozent der Befragten nationalistischen und ausländerfeindlichen Aussagen.
Und da wären noch jene, die angegeben haben, unzufrieden zu sein. Ähnlich wie in Brandenburg und Sachsen schnitt die Partei am besten dort ab, wo die Einwohnerzahl am stärksten sinkt und Rückschritte in der Versorgungslage am ehesten spürbar werden. Die AfD verknüpfte das mit einem Wende-Narrativ nach dem Motto: Es herrschen Zustände wie in der DDR; mit dem Stimmzettel würde man die „friedliche Revolution“ vollenden.
Was Beobachter aber feststellen: Die Decke nach oben ist begrenzt. Die AfD konnte im Vergleich zur Landtagswahl 2014 ihr Ergebnis verdoppeln, drang im Vergleich zu 2017 aber nicht in neue Wählerschichten vor. Knapp 260.000 Thüringer stimmten am Sonntag für die AfD. Bei der Bundestagswahl 2017 waren es 294.000 Menschen. Grenzen gab es auch für die Grünen, zumindest in ländlichen Regionen.
Ostdeutschland war für sie immer hartes Terrain, aber von leichten Zuwächsen wie in Sachsen und Brandenburg war jetzt nichts zu sehen. Mit über fünf Prozent sind sie wie die FDP knapp in den Landtag eingezogen. Parteichefin Annalena Baerbock räumte ein, dass man es nicht geschafft habe, „die Breite der Gesellschaft in strukturschwachen Regionen zu erreichen“.
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