Die AfD und ihr Umgang mit Pressefreiheit und Kritik

AfD-Rechtsaußen Björn Höcke
Abgebrochenes ZDF-Interview: AfD-Politiker offenbarten wieder einmal ihr Verständnis von Medienfreiheit und Kritik - und damit auch in welche Richtung sie steuern.

Soll man Björn Höcke überhaupt interviewen? Und wenn ja, wie, worüber und welche Fehler darf man dabei nicht begehen? Diese Fragen erörtern derzeit deutsche Medien, nachdem der AfD-Rechtsaußen ein Gespräch mit dem ZDF zu seiner Rhetorik abgebrochen hat. Nur darüber zu diskutieren, verstellt aber den Blick: Abgebrochen haben schon einige Politiker – der thüringische AfD-Chef und Spitzenkandidat bei der Landtagswahl ist aber keiner wie jeder andere, sondern einer, der offen Begriffe mit NS-Bezug verwendet, was auch Theme das Interviews war.

Oft kommen AfD-Politiker, die das janusköpfige Auftreten perfektioniert haben, in solchen Formaten durch Ausweichmanöver und Abschwächungstaktik davon: "Vor dem eigenen Klientel heizen sie an, inklusiver radikaler Ausfälle; vor laufender Kamera, wollen sie nichts davon wissen", fasst Rechtsextremismusforscher Christoph Schulze vom Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam zusammen. 

Nun versucht sich auch Björn Höcke – damit konfrontiert, warum er sich an NS-Vokabular bedient  – durchs ZDF-Gespräch zu schwindeln. Erst nach insistierendem Nachfragen lässt der frühere Geschichtelehrer durchblicken, dass er "entartet" oder "Lebensraum" (Zentralbegriff der nationalsozialistischen Expansionsideologie, Anm.) im normalen Sprachgebrauch etablieren will. Da schreitet Höckes Sprecher ein, verlangt einen Neustart des Interviews. Der Journalist erklärt, dass dies nicht üblich ist ("Da kommen wir jetzt auch in den sensiblen Bereich der Pressefreiheit rein, in dem Moment, wo ich die Fragen so oft stellen soll, bis Sie mit den Antworten zufrieden sind"). Nach langer Diskussion beendet Höcke das Gespräch mit dem Hinweis: "Wir wissen nicht, was kommt … Dann ist klar, dass es mit mir kein Interview mehr für Sie geben wird." Auf die Frage, was dann komme, erklärt der Politiker dem Journalisten: "Vielleicht werde ich auch mal eine interessante persönliche, politische Person in diesem Lande. Könnte doch sein."

Die AfD und ihr Umgang mit Pressefreiheit und Kritik

Die Medienfeindlichkeit der AfD und anderen Rechtsparteien ist nicht neu. Einzelnen Pressevertretern wird schon mal der Zugang zu Pressekonferenzen oder Parteitagen verwehrt; kritische Journalisten werden öffentlich angefeindet, wie Monitor-Moderator Georg Restle, der von Jörg Meuthen als "totalitärer Schurke" und "Feind der Demokratie" bezeichnet wurde. Restle forderte zuvor in einem Kommentar die Einstufung der AfD als rechtsextrem - wegen ihrer Nähe zur Identitären Bewegung, die der Verfassungsschutz als rechtsextremistische Organisation einordnet.

Am liebsten stellen sich die Parteivertreter auf ihren eigenen Kanälen dar, wo sie die Kommunikation kontrollieren können. So wollte auch Alexander Gauland nach dem ARD-Sommerinterview keine direkten Zuschauerfragen beantworten, wie es zuvor die befragten Parteichefs von CDU, SPD und Grüne getan haben. Gauland begründete seine Entscheidung später damit, dass er die Fragen vorab wissen wollte ("Warum muss ich in ein schwarzes Loch schauen?")

Offenbarung der Widersprüche

Solche Auftritte offenbaren nicht nur ihr Verständnis von Pressefreiheit und Demokratie, sie legen auch Widersprüche offen: Eine Partei, die damit wirbt, das freie Wort zu verteidigen, bestimmt, was und wie denn nun gefragt werden darf. Ähnlich widersprüchlich verhält sie sich gegenüber den Wählern. Sie stellt ihnen in Aussicht, alles ändern zu wollen, hegt aber keinen Anspruch auf eine Regierungsbeteiligung. "Das war schon vor den Landtagswahlen klar", sagt Schulze mit Blick auf Brandenburg. "Die AfD hat im Landtag nie probiert eine Sachpolitik zu entwickeln oder sich für eine Zusammenarbeit mit anderen politischen Kräften anzubieten." In Ostdeutschland fahre die AfD einen fundamentaloppositionellen Kurs: "Sie strebt nach keiner kurz- oder mittelfristigen Zusammenarbeit. Sie will von außen eine systemüberwindende Kraft aufbauen."

Den Wählern wird im Nachhinein suggeriert, man werde ausgegrenzt. So wie jede Art von Kritik damit gebrandmarkt wird. Auch das ZDF-Interview, das ungeschnitten vom Sender online gestellt wurde, postete Björn Höcke auf Facebook. Seine Fans interpretieren die Hartnäckigkeit des Journalisten anders.  

Wohin die AfD künftig steuert, ist schwer absehbar. Was sich aber sagen lässt: Sie hat sich seit dem Abgang ihrer Gründer Bernd Kucke und Frauke Petry laufend radikalisiert, Höckes völkischer "Flügel", ein loser interner Zirkel, der vom Verfassungsschutz beobachtet wird, hat an Einfluss gewonnen; gemäßigte Mitglieder haben interne Machtkämpfe verloren, erklärt Politikwissenschaftler Schulze. Es werden Grenzen des Sagbaren überschritten und neue Standards gesetzt, ergänzt er mit Blick auf die Biografie des brandenburgischen AfD-Chefs Andreas Kalbitz, der eine rechtsextreme Vita vorweisen kann: Teilnahme an einem Neonazi-Sommerlager;  Rechtsextremen-Aufmarsch in Athen – und dergleichen mehr. "Für jeden Politiker wäre es das Ende seiner Karriere. In der AfD wird mit den Schultern gezuckt."

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