Dieser Trotz ist typisch für den 39-jährigen Milliardär, ihm verdankt er seinen Erfolg. Schon alleine die Existenz von Telegram ist eine Kampfansage an Regierungen in aller Welt: Die App wirbt seit ihrer Gründung damit, im Gegensatz zu Konkurrenten wie WhatsApp deutlich sicherer zu sein. Nicht einmal das Unternehmen selbst hat Zugriff auf die Inhalte sogenannter „geheimer Chats“.
Diesmal verdankt Durow seinem Trotz einen Aufenthalt in Untersuchungshaft, der theoretisch bis Mittwochabend andauern kann. Ihm wird die Beihilfe zu einer Vielzahl von Verbrechen vorgeworfen, darunter Drogenhandel, Terrorismus, Organisierte Kriminalität und Kindesmissbrauch.
Kriminelle würden sich seit Jahren zu all diesen Vergehen auf Telegram absprechen, die Plattform tue zu wenig, um das zu verhindern, heißt es; sie schütze die Verdächtigen sogar vor der Strafverfolgung.
Telegram bietet jenen Schutz, die gegen das System sind, in dem sie leben
Der Fall ist äußerst kompliziert, weil Telegram ein komplexes Konstrukt ist. Eine Plattform, die vermeintlich Schutz vor den Augen der Regierung bietet, zieht naturgemäß deren Feinde an. In westlichen Demokratien gilt Telegram deshalb als Hort der Verschwörungstheoretiker, der Corona-Leugner, der Rechtsextremen und IS-Terroristen.
In autoritären Regimen verhält es sich jedoch andersherum: Dort gilt Telegram als Ort, auf dem sich Regierungskritiker austauschen und Protestbewegungen organisieren – so geschehen unter anderem in Hongkong, Belarus oder dem Iran.
Durow selbst lässt sich ebenso wenig politisch einordnen. Er lebt in Dubai, ist mit einem Vermögen von rund 15 Milliarden Dollar der reichste Ausländer der Stadt und zeitgleich Staatsbürger Russlands, Frankreichs, der Vereinigten Arabischen Emirate sowie des karibischen Inselstaats St. Kitts und Nevis.
Öffentlich tritt Durow fast nur noch mit Instagram-Fotos seines trainierten Körpers in Erscheinung.
Traf Durow unmittelbar vor seiner Ankunft in Paris Wladimir Putin?
Besonders schwer zu greifen ist Durows Beziehung zum Kreml. Vor Telegram hatte er bereits die Plattform VKontakte gegründet, eine russische Facebook-Kopie. 2011, als Tausende in Moskau gegen die Wiederwahl Wladimir Putins protestierten, forderte der Inlandsgeheimdienst FSB von Durow, die Informationen der VKontakte-Nutzer preiszugeben.
Er weigerte sich. Als eine Spezialeinheit der russischen Polizei drohte, sein Penthouse in St. Petersburg zu stürmen, soll er die Idee gehabt haben, Telegram zu gründen.
Heute nutzt die russische Regierung für ihre interne Kommunikation ausschließlich Telegram, ebenso wie die Führungsriege der russischen Armee – aber auch jene der Ukraine. Nach Paris reiste Durow zudem aus der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku an, wo Wladimir Putin erst vor einer Woche einen Staatsbesuch abgehalten hatte.
Laut russischen Medien habe Durow Putin dort treffen wollen, die russische Staatsagentur Tass beteuert, der Präsident hätte abgelehnt. Überprüfen lässt sich das nicht.
Es passt also ins Bild, dass der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow ebenso Durows Freilassung fordert wie der bekannte Putin-Kritiker Ilja Jaschin.
Auch US-Milliardär Elon Musk macht sich für seinen Kollegen stark, das hingegen erscheint logisch: gegen Musk wird wegen der unregulierten Inhalte auf seiner Plattform X (einst Twitter) selbst in mehreren Ländern ermittelt.
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