Elon Musks Pro-Trump-Propaganda: Vielleicht kann man eine Wahl doch kaufen
Sie hatten tatsächlich das Profil des amtierenden US-Präsidenten deaktiviert. Zwei Tage nach dem gewaltvollen Sturm auf das Kapitol am 6. Jänner 2021, bei dem fünf Menschen gestorben waren, prangte unter dem Namen Donald Trumps der Hinweis: „Twitter sperrt Accounts, die gegen die Twitter-Regeln verstoßen.“
Ein Vorgang, der, obwohl er nur drei Jahre her ist, wie aus einer längst vergangenen Zeit wirkt. Heute steht X, wie Twitter inzwischen heißt, unter der Alleinherrschaft des Tech-Milliardärs Elon Musk. Der hat unmittelbar nach dem gescheiterten Attentat auf Donald Trump vor zwei Wochen erklärt, diesen fortan zu unterstützen – und damit als erster Besitzer einer Social-Media-Plattform offen und unmittelbar in einem Wahlkampf Partei ergriffen.
Um zu sehen, wie viel Macht Musk damit in den Händen hält, muss man verstehen, wie er die Plattform in kürzester Zeit verändert hat.
Musk unterstützt Trump
Nach dem gescheiterten Attentat auf Donald Trump erklärt Elon Musk, diesen nun "vollends" zu unterstützen. Ein historischer Moment.
Musk will von Bidens Rückzug gewusst haben
Musk behauptet, schon eine Woche vor Bidens Kandidatur-Rückzug davon gewusst zu haben, das sei "in Washington bekannt" gewesen. Dann behauptet er, „die wirklichen Mächte“ hätten ihre „alte Puppe“ Joe Biden "entsorgt" und durch durch Kamala Harris ersetzt, "die eine bessere Chance hat, die Öffentlichkeit hinters Licht zu führen."
Musk hält die Demokraten für antisemitisch
Kamala Harris kritisierte Israels Kriegsführung in Gaza, für Musk sind die Demokraten damit „offen antisemistisch“
Die Demokraten wollen "das Internet löschen"
Die US-Webseite GovTrack veröffentlicht alle vier Jahre einen Bericht, in dem sie alle US-Senatoren auf einer politischen Skala einordnet. Kamala Harris war 2020 weit links-liberal platziert, nun wurde der Bericht - wie alle vier Jahre bei allen Senatoren - gelöscht. Für Musk ein Versuch von "denen", „das Internet zu löschen“.
"Die USA gehen übrigens bankrott"
Musk behauptet, die USA würden aufgrund hoher Staatsschulden „übrigens bankrott gehen“ – das ist schlicht falsch. Als größte Volkswirtschaft der Welt wird die US-Regierung bis heute von allen führenden Kreditinstituten als vertrauenswürdiger Schuldner gelistet.
"Sie haben ihn mit vorgehaltener Waffe gezwungen"
Musk spielt darauf an, Biden sei von höheren Mächten zum Rückzug gezwungen worden.
Die Parteitag-"Frage"
Musk "fragt", ob die Demokraten nicht eigentlich auf ihrem Parteitag über Joe Bidens Nachfolger*in als Spitzenkandidat*in abstimmen sollten. Das tun sie aber - konkret am 19. - 22. August.
X ist der "digitale Wilde Westen" der sozialen Medien
X kann man sich heute als eine Art digitalen Wilden Westen vorstellen. Ein unregulierter Ort, auf dem jede Form von Inhalt, Meinung und Falschinformation geteilt werden darf, von der politischen Satire bis zum Hardcore-Porno in voller Länge. Doch das war nicht immer so.
Einst war Twitter für seine vergleichsweise strenge Moderation bekannt, Falschmeldungen wurden meist rasch entfernt. Darunter auch jene Trumps, der stets behauptet hatte, die US-Wahl 2020 sei „gestohlen“ worden. Damit, so argumentierte Musk, habe Twitter in den Wahlkampf eingegriffen, was ihn letztlich dazu bewegt habe, die Firma einfach aufzukaufen.
Im Herbst 2022 übernahm der damals reichste Mann der Welt Twitter für rund 43 Milliarden Dollar. Bis heute entließ Musk mehr als 80 Prozent der Mitarbeiter, darunter fast alle Content-Moderatoren sowie den „Trust and Safety“-Rat, ein Gremium aus Menschenrechts- und Datenschutzexperten, das die Regeln der Plattform ausgearbeitet hatte.
Und dann war da noch die Sache mit dem „Blauen Haken“: Damit kennzeichnete Twitter früher die echten Profile berühmter Personen oder Organisationen. Heute kann jeder Nutzer einen „Blauen Haken“ haben – er muss nur monatlich dafür zahlen. All das soll Musk zufolge dazu beitragen, „die ungefilterten Signale des menschlichen Kollektivs zu maximieren“.
„Wenn man es in der Lesart von Elon Musk ausdrücken möchte, kann man auf X heute viel mehr Sachen sagen als früher“, meint der Medienforscher Jan-Hinrik Schmidt, der an der Universität Hamburg zu sozialen Medien forscht. Aus einer demokratischen Perspektive betrachtet, sei X dagegen "ein Ort, wo systematisch Grenzen des demokratischen und verständigungsorientierten Diskurses überschritten werden.“
In der Praxis sieht das so aus: Die Zahl antisemitischer Beiträge hat sich seit 2022 mehr als verdoppelt, kremlfreundliche Inhalte nahmen um 36 Prozent zu. Profile, die der Peking oder Moskau zugerechnet werden können, erreichten laut der NGO Newsguard 70 Prozent mehr Nutzer als zuvor.
Musk pusht seine eigenen Inhalte
Die wohl größte Änderung ist jedoch, dass Musk einen Algorithmus eingeführt hat, wie er auf anderen Plattformen wie Instagram oder Tiktok üblich ist: Das Programm schlägt also jedem Nutzer Inhalte vor, die ihm gefallen könnten – zuvor bekam man auf Twitter nur Beiträge von Profilen zu sehen, denen man auch folgte, und zwar die neuesten zuerst.
Nach welchen Kriterien Musks neuer Algorithmus vorgeht, ist unklar. Klar ist dagegen, dass Musks eigene Beiträge heute auffällig oft aufscheinen – auch bei Nutzern, die nicht zu seinen 190 Millionen Followern gehören. Ein Umstand, der seit Musks öffentlichem Treueschwur für Donald Trump am 13. Juli massiv an Brisanz gewonnen hat.
Seither kann man täglich mitlesen, wie der Milliardär die demokratische Partei angreift und sich dabei in Falschmeldungen und teilweise gefährliche Verschwörungstheorien verliert. So behauptete Musk etwa, die Biden-Regierung ließe absichtlich illegale Migranten ins Land und stelle diesen Wahlkarten aus, damit sie für die Demokraten stimmen. Ein solcher Tweet erreichte 60 Millionen Nutzer.
"Das hat es so noch nie gegeben"
„Es ist an sich nicht neu, dass sich große Medien, gerade in den USA, auf eine bestimmte Seite schlagen“, erklärt Jan-Hinrik Schmidt. „Aber Elon Musk ist zugleich der Besitzer und der lauteste Sprecher auf X. Dass sich jemand mit so einem Einfluss direkt politisch äußert, das hat es noch nie gegeben.“
Man könne deshalb noch nicht sagen, wie stark sich Musks Stimmungsmache auf die US-Wahl auswirken wird. Grundsätzlich stehe aber fest, dass einzelne Social-Media-Beiträge „das politische Weltbild der Nutzer nur selten erschüttern“, meint Schmidt. „Aber wenn ich kontinuierlich Inhalten aus einem bestimmten politischen Spektrum ausgesetzt bin, hat das natürlich einen Effekt.“
Zumindest vier Monate wird Musks Polit-Kampagne auf X weitergehen. Erst nach der US-Wahl am 5. November wird die Welt eine Ahnung davon haben, ob sie erfolgreich war – und die digitale Büchse der Pandora geöffnet wurde.
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