Taliban und China: "Vertrauenswürdige Freunde"
Was passiert, sollten die Taliban die Macht in Afghanistan übernehmen? Wird das Land international isoliert? Vonseiten Europas und der USA womöglich – auch wenn weder Brüssel noch Washington die Taliban als Terrororganisation anerkennt. Außerdem würde die geopolitisch wichtige Lage Afghanistans gegen eine völlige Boykottpolitik des Westens sprechen – bei all den kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Differenzen.
Spitze gegen USA
Regionalmächte wie der Iran, Russland, Indien, Pakistan werden ihren Einfluss stärken wollen, auch China hat in Afghanistan einige Interessen – und pflegt mit den Taliban ein gutes Verhältnis. Ende Juli empfing Außenminister Wang Yi Taliban-Mitbegründer Mullah Abdul Ghani Baradar. Wang Yi versicherte, dass sich China nicht in die inneren Angelegenheiten Afghanistans einmischen wolle und eine freundliche Politik gegenüber dem afghanischen Volk anstrebe. Eine Spitze gegenüber den USA konnte es sich nicht verkneifen: Nach dem „hastigen Abzug“ der US-Truppen und anderer NATO-Verbündeter sehe sich das afghanische Volk mit neuen Möglichkeiten konfrontiert, die Entwicklung der Nation selbst in die Hand zu nehmen.
Sechs Städte erobert
Was das bedeutet, zeigen die Taliban seit Beginn des Abzugs (siehe Grafik). Kein Tag vergeht, an dem die islamistische Miliz keine neuen Gebiete einnimmt, derzeit legt sie ein Hauptaugenmerk auf Provinzhauptstädte, hat bereits 6 von 34 erobert. Der chinesische Außenminister würde die „Rolle der Taliban beim Aufbau des Landes“ unterstützen, forderte jedoch keine Einmischung in innerchinesische Angelegenheiten oder Verbrüderungen mit der „Islamischen Ost-Turkestan-Partei“, die Peking als Terrororganisation ansieht und die in Westchina für Anschläge verantwortlich gemacht wird.
Eine Forderung, der die Taliban mit Freuden stattgaben. China sei ein „vertrauenswürdiger Freund“. China als Partner zu haben, könnte den Taliban auf dem internationalen Parkett viel bringen – immerhin sitzt die Volksrepublik im UN-Sicherheitsrat. Es wäre allerdings nicht China, würde es sich nicht auch andere Optionen offen halten – Peking pflegt auch mit der afghanischen Regierung aufrechte Kontakte.
Ein Sieg der Taliban sei „nur eine der Möglichkeiten“, wie der Konflikt ausgehen könnte. Doch China spielt wie gewohnt auf Zeit, verfolgt die Entwicklungen, ohne sich direkt einzumischen. Vor allem, nachdem sich zwei wirtschaftliche Investitionen im Öl- und Kupfersektor als Desaster erwiesen hatten. Zu instabil und unsicher ist die Situation.
In einem stabileren Afghanistan – und das könnte ein Taliban-Regime durchaus bewerkstelligen – wäre es für China allerdings lukrativ, Fuß zu fassen. Auch in Hinblick auf die „Neue Seidenstraße“ hat Peking in Afghanistan einige Interessen.
USA wollen vermitteln
In „tiefer Sorge“ ist indes die NATO, forderte die Taliban gemeinsam mit den USA zu einem Ende ihrer Angriffe im Land auf. Ein US-Sondergesandter soll bei Verhandlungen in Doha eine Waffenruhe vermitteln. „Die Taliban müssen verstehen, dass die internationale Gemeinschaft sie nie anerkennen wird, wenn sie den politischen Prozess verweigern und das Land mit Gewalt erobern wollen“, hieß es.
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