Sturgeon und Johnson: Labour profitiert von jüngsten Polit-Skandalen

Sturgeon und Johnson: Labour profitiert von jüngsten Polit-Skandalen
„Verschwundene“ Parteispenden bringen Schottlands Ex-Regierungschefin und ihre Partei in Verruf. Auch die Tories schwächeln nach Boris Johnsons Abgang als Abgeordneter.

Es entbehrte nicht einer gewissen Ironie. Noch am Freitag hatte der schottische Regierungschef Humza Yousaf auf Twitter den Rücktritt von Boris Johnson als Abgeordneter mit den Worten kommentiert, Westminster werde von einer „drittklassigen politischen Seifenoper“ vereinnahmt.

Am Sonntag, nur kurz nachdem Yousaf im BBC-Interview seine Vorgängerin als eine der „beeindruckendsten Politiker, die Europa in den letzten Jahrzehnten gesehen hat“ lobte, poppte dann die Eilmeldung auf: Nicola Sturgeon ist festgenommen. 

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„Eine 52-jährige Frau wurde als Verdächtige im Zusammenhang mit den laufenden Ermittlungen zur Finanzierung und den Finanzen der Scottish National Party (SNP) festgenommen“, teilte die schottische Polizei mit. 

Für viele war das nach Sturgeons überraschendem Rücktritt im Frühling nur eine Frage der Zeit gewesen.

Seit zwei Jahren laufen Untersuchungen. Konkret geht es um umgerechnet 700.400 Euro an „verschwundenen“ Spendengeldern, die für Bemühungen um die schottische Unabhängigkeit bestimmt waren.

Sowohl Sturgeons Ehemann Peter Murrell, Ex-Geschäftsführer der SNP, als auch der frühere Schatzmeister Colin Beattie wurden im April vorübergehend festgenommen und später ohne Anklage freigelassen. Sturgeon war die dritte Unterzeichnerin auf den Dokumenten.

7 Stunden in Haft

Auch wenn Sturgeon ebenfalls – in ihrem Fall nach 7 Stunden und 15 Minuten – ohne Anklage freigelassen wurde: Die Verhaftung klebt an der bisher populären Politikerin.

Die SNP sei „von Finsternis und Chaos verschlungen“, urteilten die schottischen Konservativen und forderten Yousaf auf, Sturgeon aus der Partei auszuschließen. Die Politikerin, die ihre Unschuld beteuert, will ihre Arbeit als Parlamentsabgeordnete fortsetzen.

Noch mehr als die Tories wittert Labour die Gunst der Stunde. Ende Mai hatte das Meinungsforschungsinstitute YouGov der Partei bei den nächsten Wahlen ein Plus von 23 Sitzen prognostiziert – auf Kosten der SNP.

Die Menschen in Schottland würden sich von der SNP „entlieben“, sagte die Vize-Vorsitzende der schottischen Labour-Partei, Jackie Baillie, am Montag. Noch, räumte sie ein, wüssten viele nicht, wohin sie ihre Stimme verlagern sollten – aber immer mehr würden sich „an Labour wenden“.

Drei vakante Sitze

Stetig spielen Skandale verschiedener Parteien in Großbritannien einem möglichen Wahlsieg Labours in die Tasche. Nach Johnsons Rücktrittsankündigung und den Rücktritten seiner Unterstützer Nadine Dorries und Nigel Adams stehen in England drei Landeskreiswahlen an.

Johnsons Wahlkreis könnte laut dem Forschungsinstitut Savanta mit 52 Prozent an Labour gehen. In den anderen zwei Wahlkreisen wird es knapper.

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Auch wenn der Labour-Partei bei landesweiten Wahlen aktuell ein Erdrutschsieg über die Konservativen in Aussicht gestellt wird: Ausruhen darf sich Labour-Chef Keir Starmer nicht.

Die Unterstützung für die Partei sei „ziemlich schwach“, zitieren britische Medien Luke Tryl, den Direktor des Think Tanks „More in Common“.

Und auch der bekannte Politologe Sir John Curtice sah bei der Entwicklung der schottischen Labour Partei in den letzten Monaten lediglich eine „Nulllinie“.

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