Worum geht es bei dem Streik?
Kurzum: Die Hafenarbeiter an der Ostküste verlangen genauso viel Lohn wie ihre Kollegen an der Westküste. In den Häfen von New York, New Jersey, Baltimore, Charleston oder Miami verdienen Arbeiter nach sechs Jahren mindestens 39 Dollar pro Stunde; an der Westküste sind es knapp 55 Dollar – 2027 soll der Stundenlohn dort auf knapp 61 Dollar steigen. Die Hafenarbeiter gingen daher mit der Forderung nach einer 77-prozentige Gehaltserhöhung über sechs Jahre und einem vollständigen Automatisierungsverbot in die Verhandlungen.
Die US Maritime Alliance, die die Häfen vertritt, ist dieser schlussendlich mit einer 50-prozentigen Lohnerhöhung über sechs Jahre sowie dem Versprechen, die Automatisierungsbeschränkungen aus dem alten Tarifvertrag beizubehalten, begegnet.
Doch beide Seiten konnten sich nicht einigen, die Gespräche liegen seit Monaten auf Eis. In der Nacht auf Dienstag ist der Tarifvertrag aus-, und der Streik angelaufen.
Welche Waren sind von dem Streik betroffen?
Nahezu alle. Mehr als die Hälfte der US-Importe und etwa acht Prozent des weltweiten Containerhandels entfallen auf die Häfen am Golf und die Ostküste der USA. Jede Art von Waren, von Spielsachen über Bekleidung, Autos und Elektrogeräte, werden von hier verschifft. Der Streik könnte für lange Wartezeiten sorgen, die etwa den Einkaufswahn um den "Black Friday" Ende November und das Weihnachtsshopping betreffen könnten.
Doch auch der Import alltäglicher Lebensmittel dürfte leiden – die USA exportieren und importieren Getreide, Soja, Fleisch und Eier über die Ostküste. Ein Beispiel sind Bananen: Über die vom Streik betroffenen Häfen an der Ostküste gelangen laut der American Farm Bureau Federation jährlich 3,8 Millionen Tonnen Bananen in die USA, das sind 75 Prozent der gesamten nationalen Versorgung. Vor allem verderbliche Lebensmittel sind von dem Rückstau gefährdet.
Der NZZ zufolge könnten die Auswirkungen "gravierender" sein als die Folgen des 2021 im Suezkanal eingeklemmten Frachtschiffs "Ever Given", das für eine Woche die wichtigste Handelsroute von Europa nach Asien blockiert hatte.
Was heißt das für uns Konsumenten?
Viele Unternehmen haben sich in den vergangenen Wochen auf einen drohenden Streik vorbereitet, haben etwa ihre Importe gesteigert, um Engpässe zu vermeiden. Trotzdem sind diese neben längeren Wartezeiten nicht ausgeschlossen, was infolge zu höheren Preise führen kann. Das könnte die Inflation anheizen.
Für Preissteigerungen können aber auch teurere, alternative Transportwege verantwortlich werden: Obst- und Gemüsehändler aus Süd- und Zentralamerika haben teilweise begonnen, ihre Ware per Luftfracht in die USA zu exportieren – was ein Vielfaches mehr kostet als der Transport mittels Schiff.
Die AP zitiert JP Morgan: Die Investmentbank spricht von Kosten in der Höhe von 3,8 bis 4,5 Milliarden Dollar täglich, die auf die US-Wirtschaft infolge der Schließung der Häfen an der Ostküste zukommen könnten. Der Firma Maersk zufolge, einer der größten Anbieter von Seetransporten, dauert es bis zu sechs Wochen, um einen einwöchigen Rückstau aufzuholen. Eine Verlagerung der Exporte und Import von den Osthäfen an die Westküste sei nur bedingt möglich, dafür seien die Kapazitäten an der Westküste nicht ausreichend.
Was bedeutet der Streik für die US-Wahl?
Dass der Streik in die letzten Wochen des amerikanischen Wahlkampfs fällt, ist sowohl für die Republikaner als auch für die Demokraten, die um die Stimmen der Arbeiterschicht kämpfen, schweißtreibend. Die Gewerkschaften sind traditionell Verbündete der Demokraten. Doch viele Wähler machen die bisherige Regierung für die (gesunkene) Inflation verantwortlich.
US-Präsident Joe Biden hätte zwar die Macht, den Streik für 80 Tage auszusetzen, damit weitere Verhandlungen stattfinden können, will diese Maßnahmen aber nicht ergreifen. Was ihm wiederum scharfe Kritik von den Unternehmen einbrachte.
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