Spanien: Bis zu 13 Jahre Haft für Kataloniens Separatistenführer

Oriol Junqueras wies den Vorwurf der Rebellion zurück
Gericht fällt historische Urteile wegen des Unabhängigkeitsvotums 2017. Gegen Ex-Präsident Puigdemont gibt es einen neuen Haftbefehl.

von Linda Osusky

In einem historischen Prozess hat das Oberste Gericht in Madrid am Montag neun der 12 angeklagten katalanischen Separatistenführer des Aufruhrs schuldig gesprochen und zu Haftstrafen von bis zu 13 Jahren verurteilt. Zudem seien einige von ihnen der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig, hieß es.

Drei weitere angeklagte Ex-Politiker wurden des Ungehorsams schuldig gesprochen. Von einer Verurteilung wegen des Vorwurfs der Rebellion, der mit Gefängnisstrafen von bis zu 25 Jahren geahndet wird, sahen die Richter ab.

Bei dem Verfahren ging es um die Rolle der Separatistenführer bei dem von der spanischen Justiz als illegal eingestuften Unabhängigkeitsreferendum vom 1. Oktober 2017 und einem daraus resultierenden Unabhängigkeitsbeschluss der Regionalregierung in Barcelona. Hauptangeklagter war der frühere stellvertretende Regionalpräsident Oriol Junqueras. Er erhielt 13 Jahre Haft. Der Großteil der Angeklagten sitzt bereits seit zwei Jahren in Untersuchungshaft.

Mit dieser juristischen Antwort ist der Konflikt aber nicht beendet: Eine Kundgebung am Abend und ein Dreitagesmarsch nach Barcelona, mit dem Ziel die wichtigsten Verkehrswege zu blockieren. Das ist die Antwort der Unabhängigkeitsbefürworter auf das Urteil.

Spanien: Bis zu 13 Jahre Haft für Kataloniens Separatistenführer

Unabhängigkeitsbefürworter rufen zu zivilem Ungehorsam auf

"Barbarei"

Der katalanische Ex-Regionalpräsident Carles Puigdemont sprach von "Barbarei". Nun müsse reagiert werden wie nie zuvor, twitterte der 56-Jährige. „Für die Zukunft unserer Söhne und Töchter.“ Puigdemont war die treibende Kraft der Unabhängigkeitsbewegung.

Anders als die jetzt verurteilten Separatisten war der Ex-Journalist nach der Absetzung seiner Regierung ins Ausland geflohen und hatte sich der spanischen Justiz entzogen. Seither lebt er in Belgien. Ein europäischer Haftbefehl wurde 2018 zurückgezogen, am Montag stellte Spaniens Justiz einen neuen aus.

Für den amtierenden spanischen Premier Pedro Sanchez ist der Umgang mit Katalonien eine Gratwanderung. Auf der einen Seite versprach er, für die Einheit Spaniens zu kämpfen.

Er müsse aber auch der mehrheitlichen Forderung Kataloniens, ihre Selbstverwaltung und nationale Identität besser zu schützen, nachkommen, so der Politikwissenschafter Jose Fernandez-Albertos zum KURIER.

Im Parlament ist Sanchez mitunter auf die Unterstützung nationalistischer katalanischer Parteien angewiesen. Noch, denn am 10. November werden die Spanier nach nur sechs Monaten erneut zu den Urnen gerufen.

Wie diese Wahl ausgehen wird, hängt zu einem großen Teil auch vom Wahlverhalten der Katalanen ab. Die wirtschaftlich und demografisch bedeutende spanische Region stellt aktuell 48 der insgesamt 350 Abgeordneten im Kongress.

Ihr Stimmverhalten kann spanische Regierungen stürzen, wie zuletzt im Februar diesen Jahres, als 17 Abgeordnete der Esquerra Republicana de Catalunya sich beim Haushaltgesetz enthielten, was Sanchez zu vorgezogenen Neuwahlen zwang. Dieser ging am 28. April als Sieger hervor, brachte aber keine Regierung zustande.

Spanien: Bis zu 13 Jahre Haft für Kataloniens Separatistenführer

Spaniens Premier Pedro Sanchez

Bezeichnend ist, dass der inoffizielle Startschuss für den Wahlkampf am Montag vergangener Woche im katalanischen Parlament stattfand. Oppositionsführerin Lorena Roldán von den liberalen Ciutadans brachte einen Misstrauensantrag gegen Regionalpräsident Quim Torra ein.

Ein symbolischer Akt, denn von Anfang an war klar, dass nicht einmal alle Oppositionsparteien – darunter die Sozialisten – dem Antrag zustimmen werden. Obwohl es gute Gründe gebe, Torra das Misstrauen auszusprechen, wie Sanchez in einem Interview betonte.

Neue Terrorgruppe

Roldán begründet den Antrag damit, dass Torra zu viele rote Linien überschritten habe. Allerdings hat ihre Partei einige Wochen zuvor einen geplanten Misstrauensantrag durch den Partido Popular noch abgelehnt.

Das war aber vor dem 23. September. An diesem Tag hat der Konflikt eine neue Dimension erhalten. Die spanische Polizei verhaftete neun Personen aus dem Separatistenumfeld wegen Sprengstoffbesitz und Terrorismusverdachts. Die Verhafteten sollen laut dem geheimen Ermittlungsbericht eine radikalen Splittergruppe der "Komitees zur Verteidigung der Republik“ gebildet haben.

Laut Ermittlungen sollen sie anlässlich des 1. Oktober und der Urteilsverkündung unter anderem die Besetzung des Regionalparlaments geplant haben. Da der Bericht geheim ist, bleiben an die Medien durchgesickerte Details aus dem Akt offiziell unbestätigt.

Während die spanische Justiz überzeugt ist, es mit einer Terrorgruppe im Embryonalstadium zu tun zu haben, sieht die katalanische Regierung in den Verhaftungen einen weiteren Beweis für die Repression durch Spanien. Sie wird dabei nicht müde zu betonen, ihre demokratischen Absichten mit friedlichen Mitteln erreichen zu wollen.

Sie forderte nicht nur die Freilassung der Verhafteten, sondern auch den Abzug der spanischen Polizei Guardia Civil aus Katalonien. Die Verhaftungen hätten das Ziel, die Unabhängigkeitsbewegung zu kriminalisieren, so Torra.

"Wir werden es wieder tun"

Während Sanchez entgegnete, dass Torra die Kriminalisierung ganz einfach vermeiden könne, indem er jedwede potenzielle Gewaltanwendung aus dem Umfeld von Unabhängigkeitsbefürwortern verurteile, ruft Torra die Katalanen weiter zu zivilem Ungehorsam auf. Er befeuert die Unabhängigkeitsbewegung mit Parolen wie „Wir werden es wieder tun“, „Zieht an, zieht an“ oder „Ich akzeptiere kein anderes Urteil als einen Freispruch“.

Sanchez treibt indes erfolgreich die Exhumierung Francos an, um seine Überreste aus dem Tal der Gefallenen an einen gewöhnlichen Friedhof zu überstellen.

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