Sie stehen an vorderster Front, kämpfen für ein Land, das sie vorher noch nie gesehen haben – und für 1.500 Dollar im Monat. Dutzende ihrer Kameraden sind bereits gefallen und sie wissen: Wenn sie heimkehren, geht der Krieg weiter. Hunderte syrische Söldner kämpfen derzeit im Dienste des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan für Aserbaidschan gegen die Armenier in Berg-Karabach.
„Ich wollte nicht gehen, aber ich habe kein Geld. Das Leben hier ist sehr schwer und voller Armut“, sagte einer von ihnen der Nachrichtenagentur Reuters. 1.500 Dollar sind in Nordsyrien viel Geld, für die Ambitionen Ankaras ein absolut vernachlässigbarer Betrag.
Aus den kampferprobten Kriegern, die meist aus geschlagenen Milizen des syrischen Bürgerkriegs stammen, hat Erdoğan ein erfolgreiches Werkzeug zum Ausbau seines Einflusses geschaffen, in Libyen sorgt er durch die Entsendung Tausender Söldner mehr und mehr für klare Verhältnisse. Das will er in Berg-Karabach wiederholen. Durchgeführt werden solche Einsätze unter anderem von der „Sadat International Defence Consultancy“ (SADAT). Das Unternehmen wurde 2012 von Adnan Tanrıverdi gegründet, einem ehemaligen General der Spezialeinheiten der türkischen Armee und Erdoğan-Vertrauten.
In bester Gesellschaft
Der Aufschrei der internationalen Gemeinschaft ist wieder einmal groß, neben westlichen Ländern fordert auch Russland den Abzug der syrischen Söldner. Eine bemerkenswerte Forderung – schließlich befinden sich unzählige russische Söldner in Syrien. Und nicht nur dort. Die berüchtigte Wagner-Gruppe soll nicht nur in Libyen, sondern auch im Kongo, Zentralafrika und der Sahelzone russische Interessen vertreten. In Afrika dürften die Kämpfer der Wagner-Gruppe das eine oder andere Mal Kollegen im Dienste der USA, Frankreichs oder Großbritanniens begegnen.
21 private Militärdienstleister arbeiten etwa für AFRICOM, das US-Kommando für Afrika. Und das nur in Nordafrika und in der Sahelzone. Dass solche Praktiken keine Neuheit sind, zeigt etwa die Geschichte Roger Faulques’, eines französischen Offiziers, der im Kongo als Kommandant einer Söldnerarmee gegen die Blauhelme der Vereinten Nationen kämpfte. Später bildete er mit britischem Auftrag jemenitische Rebellen aus, dann – auf Wunsch Frankreichs – nigerianische Separatisten. Kurzum: Die Beschäftigung und Entsendung sogenannter Sicherheitsfirmen in Krisengebiete nationalen Interesses ist weder im Westen noch im Osten etwas Neues.
Berichte über Kriegsverbrechen regulärer Soldaten schockieren die Öffentlichkeit mehr, als wenn etwa Massaker des Unternehmens Blackwater im Irak ans Tageslicht kommen. Der Staat zieht sich so meist aus der Verantwortung.
Als Blackwater-Söldner 2007 vierzehn irakische Zivilisten erschossen, plädierte das Unternehmen auf „Selbstverteidigung“. Dennoch verurteilte ein US-Gericht vier Schützen zu 30 Jahren Haft, verdonnerte Blackwater zu Millionenzahlungen. Es ist kein Wunder, dass sich die Firma umbenannt hat.
Hohes Risiko, viel Geld
Dieser Vorfall war jedoch eine Ausnahme. Söldner fallen nicht unter das Kriegsrecht, können für ihre Vergehen nur von einem zivilen Gericht ihres Heimatlandes belangt werden. Und das geschieht sehr selten, da es selten Kläger gibt.
Sehr wohl unter das Kriegsvölkerrecht fällt die Fremdenlegion, die als regulärer Teil der französischen Streitkräfte gilt. Ein Teil dieser Einheit gewesen zu sein, gilt unter Söldnern allerdings als Auszeichnung beziehungsweise als Plus im Lebenslauf bei so mancher privaten Sicherheitsfirma.
Der Söldnerberuf ist risikoreich, doch vor allem für Kämpfer aus Europa oder den USA gut bezahlt. Je nach Aufgabe sollen westlichen Söldnern im Irakkrieg bis zu 30.000 Dollar im Monat geboten worden sein.
Wie gefährlich dieses Handwerk ist, zeigt das Schicksal von Bert Nussbaumer, einem ehemaligen österreichischen Elitesoldaten. Er heuerte 2006 bei einer Sicherheitsfirma im Irak an, wurde bei einem Einsatz entführt und später getötet. Insgesamt 20.000 Söldner sollen damals im Irak gewesen sein.
NATO-Berater
Allerdings gedeiht das Geschäft mit dem Krieg nicht nur im Auftrag von Staaten. Immer mehr private Firmen heuern Söldnerfirmen an, um etwa Diamantminen im Kongo zu schützen. Und auch die Sicherheitsfirmen verlegen sich auf andere Sektoren wie Logistik, Aufklärung, Desinformation im Internet oder auch medizinische Versorgung.
SADAT etwa bietet auf seiner Website die Wartung und Reparatur von Waffen und Fahrzeugen an sowie Ausbildungen durch ehemalige Korpsgeneräle oder Militärattachés, manche gar mit Erfahrung im NATO-Hauptquartier. Es liegt nahe, dass die meisten von ihnen aus der türkischen Armee kommen.
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