Selbstbestimmungsgesetz: Geschlechtswechsel in Deutschland nun ab 14 möglich
Nach monatelangen Debatten hat die deutsche Regierung das neue und viel diskutierte Selbstbestimmungsgesetz in die Wege geleitet. Damit wird es trans-, intergeschlechtlichen und nichtbinären Personen leichter gemacht, den Geschlechtseintrag in ihrem Pass zu ändern. Wer sich mit seinem biologischen Geschlecht nicht identifiziert, soll künftig Vornamen und Geschlechtseintrag im Personenstandsregister durch einen einfachen Antrag beim Standesamt ändern können. Ein ärztliches Attest, Gutachten oder eine verpflichtende Beratung sind auch für Minderjährige nicht vorgesehen.
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Damit löst die deutsche Ampelkoalition das Transsexuellengesetz aus dem Jahr 1981 ab, das von vielen Betroffenen als erniedrigend empfunden und vom Bundesverfassungsgericht in wesentlichen Teilen für verfassungswidrig befunden wurde. Es erforderte unter anderem ein Gerichtsverfahren sowie zwei Gutachten von Sachverständigen. Nachgewiesen werden mussten zudem Ehelosigkeit, eine operative Geschlechtsumwandlung und dauerhafte Fortpflanzungsunfähigkeit (Sterilisation).
"Trans" sind laut Gesetzesentwurf Personen, die sich nicht oder nicht nur mit dem Geschlecht identifizieren, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. "Inter" bedeutet angeborene körperliche Merkmale zu haben, "die sich nach medizinischen Normen nicht eindeutig als (nur) männlich oder (nur) weiblich einordnen lassen". "Nicht-Binär" wird als Selbstbezeichnung für Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren, definiert.
Dürfen Minderjährige sich auch Geschlecht und Vornamen aussuchen?
Im Rahmen des neuen Selbstbestimmungsgesetzes kann die Änderung des Geschlechtseintrags und des Vornamens künftig durch eine einfache "Erklärung mit Eigenversicherung“ beim Standesamt vorgenommen werden. Drei Monate später wird sie wirksam. Danach gibt es eine einjährige Sperrfrist für weitere Änderungen. Über geschlechtsangleichende medizinische Maßnahmen trifft das Gesetz keine Regelungen.
Es gibt zwar kein Mindestalter, ab wann der Eintrag geändert werden kann. Kinder und Jugendliche können ihren Geschlechtseintrag jedoch nicht selbstständig ändern. Bis 14 Jahre müssen die Sorgeberechtigten die Erklärung gegenüber dem Standesamt abgeben, danach müssen die Sorgeberechtigten nur noch zustimmen. Ausnahmen kann es nur geben, wenn Eltern mit ihrer Haltung das Kindeswohl gefährden. Auch ein "bußgeldbewehrtes Offenbarungsverbot" wird es nun geben. Das heißt, dass es verboten sein wird, gegen den Willen einer Person deren frühere Geschlechtszuordnung oder früheren Vornamen offenzulegen.
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Der Gesetzentwurf wird zur Stellungnahme an den Bundestag weitergeleitet. Treibende Kraft hinter der Reform war die deutsche Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne), die gemeinsam mit Justizminister Marco Buschmann (FDP) Anfang Mai einen Entwurf vorgelegt hatte. Der Queerbeauftragte der deutschen Regierung, Sven Lehmann, hat den Beschluss des Selbstbestimmungsgesetzes durch das Bundeskabinett als historisch bezeichnet.
Dürfen Transpersonen in die Sauna?
Dem Gesetz eilte viel Kritik voraus. Vielerorts wurden Sorgen vor der Öffnung von Frauen-Schutzräumen (z.B. Umkleidekabinen, Frauenhäuser oder Saunen) für Transpersonen geäußert - vor allem von der Union und der AfD. "So überlässt das Gesetz dem Bademeister oder dem Fitnesstrainer, ob eine Transperson in die Frauenumkleide darf", sagt die familienpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Silvia Breher. Auch Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht hatte vor Gefahren für Frauen etwa in Frauensaunen gewarnt.
Alice Schwarzer ist eine der lautesten Gegnerinnen der Reform. "Frauen haben das Recht auf Schutzräume. (...) Mit diesem sogenannten Selbstbestimmungsgesetz relativieren wir juristisch die Kategorie Geschlecht", äußerte die deutsche Frauenrechtlerin ihren Unmut in einem Spiegel-Interview. Die "offensive Transideologie" bedrohe "biologische Frauen", so Schwarzer. Sie spricht sich für eine Altersschranke von mindestens 18, besser 21 Jahren aus.
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Laut dem Lesben- und Schwulenverband in Deutschland (LSVD) liegt der Anteil der Personen, die bisher eine Änderung des Namens oder Geschlechts-Eintrags wieder rückgängig machen, konstant bei etwa ein Prozent.
Irrationale Debatte?
Für die Antidiskriminierungsbeauftragte Ferda Ataman ist dies eine irrationale Debatte. "Wir haben in Deutschland überwiegend gemischtgeschlechtliche Saunen. Kein Mann muss seinen Geschlechtseintrag ändern lassen, um in Deutschland eine nackte Frau zu sehen", sagt sie.
Zudem wird das Selbstbestimmungsgesetz das private Hausrecht und die Vertragsfreiheit unberührt lassen. Heißt: Ein Saunabetreiber muss keine Transperson einlassen, wenn er nicht möchte. Diese Regelung kollidiere nicht mit dem zivilrechtlichen Benachteiligungsverbot des Antidiskriminierungsgesetzes, hieß es im Vorfeld in der Begründung zum Gesetz.
Befürchtungen des Bundeskriminalamt, wonach Kriminelle den Geschlechtswechsel nutzen könnten, um den Strafverfolgungsbehörden zu entkommen, wurden ebenfalls abgefedert. Voraussichtlich sollen zuständigen Standesämter die Daten bei den Anträgen an die Meldebehörden, also auch die Strafverfolgungsbehörden, weitergeben.
Das neue Gesetz wird vielerorts kritisiert
Kritik gab es zuletzt auch von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt, der das Selbstbestimmungsgesetz im Vorfeld als nächstes "Ideologie-Gesetz der Arroganz-Ampel“ bezeichnet hatte. "Die Idee, sein Geschlecht jedes Jahr neu selbst bestimmen zu können, kann man nur als eine Geschichte aus dem Tollhaus bezeichnen“, sagte der stellvertretende Unions-Fraktionschef am Dienstag der Augsburger Allgemeinen.
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Paus' Amtskollegin Susanne Raab (ÖVP), kann dem deutschen Gesetz ebenfalls wenig abgewinnen. Eine ähnliche Gesetzesänderung für Österreich schließt sie aus. "Die linke Ampelkoalition in Deutschland schießt hier deutlich über das Ziel hinaus", betonte Raab in einer Stellungnahme gegenüber der APA.
"Ich bin davon überzeugt, dass jeder Mensch nach seiner Façon leben soll. Aber ich halte es für absurd, wenn man dann so tut, als sei es das Normalste der Welt, jedes Jahr sein Geschlecht zu ändern. Das Gesetz würde auch bedeuten, dass in Frauenhäuser auch Männer aufgenommen werden. Das kann ich nicht befürworten!", sagte die Frauenministerin kürzlich im KURIER-Gespräch.
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