Er kam als Sabine zur Welt, merkte aber schon im Kindergarten, dass er anders war als die Mädchen in seinem Alter. „Für mich gab es nichts Schöneres, als wenn jemand zu mir gesagt hat: ,So ein lieber Bub’“, erinnert sich der Wiener Trans Mann Sam Vincent Schweiger im Gespräch mit dem KURIER. Mit zwanzig hatte er seinen ersten Nervenzusammenbruch und realisierte, dass er so nicht mehr weiterleben konnte. „Ich habe es nicht mehr ausgehalten, konnte meinen Körper nicht mehr anschauen.“
Heute heißt Sabine Sam Schweiger und entspricht auch optisch dem, was er immer sein wollte: ein Mann. Die teils heftige Kritik am deutschen Selbstbestimmungsgesetz kann der 48-Jährige nicht nachvollziehen. „Jeder hat doch das Recht, selbst zu bestimmen, wie er oder sie leben möchte“, sagt er. Weil er überzeugt ist, dass Unwissen Angst schafft, setzt sich Schweiger an Schulen und mit seinem Blog für eine bessere Aufklärung ein.
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Im Interview räumt er mit einem gängigen Vorurteil auf:
„Es ist nicht so, dass Jugendliche in Scharen auf ein Amt laufen und ihren Geschlechtseintrag ändern und innerhalb von fünf Tagen Hormone und Operationen bekommen, wenn man mit ihnen darüber spricht. Niemand kann sich den Leidensdruck vorstellen, der vor und hinter so einem Prozess steht.“ In Österreich gibt es kein Transidentitätsgesetz, sondern Behandlungsempfehlungen: Am Anfang steht eine Psychotherapie, mit entsprechenden Gutachten können transidente Personen ihren Personenstand und Namen ändern, eine Hormontherapie und geschlechtsangleichende Operationen durchführen lassen.
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Geschlechtliche Identitätsfragen fallen nicht mehr unter die psychischen Krankheiten
Die Diagnose „Geschlechtsdysphorie“ (Geschlechtsidentität stimmt nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht überein) fällt seit 2018 nicht mehr unter die psychischen, sondern unter die körperlichen Krankheiten, was Schweiger begrüßt. „Nur die Unterkategorie ,sexuelle Gesundheit’ ist unglücklich. Denn Transidentität hat nichts mit sexuellen Handlungen zu tun.“
Schweiger selbst entschied sich für eine langwierige Hormontherapie und Operationen. Die medizinische Versorgung für Transpersonen lässt in Österreich immer noch zu wünschen übrig, kritisiert er. Nach wie vor gibt es nur einen Mediziner, der die komplizierten Penisaufbauten durchführen kann. Auch beim Thema Hormontherapie herrsche zu wenig Wissen. Mit ein Grund, warum Schweiger mit einer befreundeten Hormonspezialistin das Ratgeber-Buch „Anders normal“ (VdÄ) geschrieben hat.
„Auch wenn ich viele Nachoperationen hatte – es war die beste Entscheidung meines Lebens“, resümiert er knapp zwanzig Jahre später.
Auch privat ist der Wiener glücklicher denn je: Über eine Dating-App lernte er seine Frau kennen, aus seiner Vergangenheit machte Schweiger nie ein Geheimnis. „Es war Schicksal, dass wir einander getroffen haben. Sie hat mir gezeigt, dass man genau so geliebt werden kann, wie man ist.“