Schwedens Premier gestürzt: Kommt nun extreme Rechte an die Macht?
Über einen kleinen Holzhammer verfügt der schwedische Parlamentspräsident aus Tradition und mit diesem und einem dumpfen Schlag besiegelte Andreas Norlén am Montag das Schicksal der rot-grünen Minderheitsregierung. Durch einen Misstrauensantrag wurde das Kabinett von Premier Stefan Löfven mit 181 von 349 Stimmen im Reichstag abgesetzt – zum ersten Mal in der Geschichte des skandinavischen Landes wurde so eine Regierung gekippt.
„Schweden befindet sich in einer sehr ernsten Lage“, sagte der sichtlich mitgenommene sozialdemokratische Regierungschef nach der Schlappe vor der Presse.
"Unheilige Allianz"
Der 63-jährige hat nun eine Woche lang Zeit, um über Neuwahlen zu entscheiden. Die Alternative wäre den Parlamentspräsidenten mit der Nominierung eines Gegenkandidaten zu beauftragen. Schuld an dem Sturz sei eine „unheilige Allianz“.
Linkspartei als Auslöser
Diese ist untypisch. Kurz zusammengefasst: Die Initiative zum Sturz der Regierung kam von der Linkspartei, die Nutznießer können aber zwei bürgerliche Parteien sein, die Moderaten und die Christdemokraten, die mit Duldung der rechten „Schwedendemokraten“ regieren wollen. Auslöser für die Chefin der Linken, Nooshi Dadgostar, diese „Revolte“ anzuzetteln: Ein Antrag auf eine Untersuchung der Regierung, wie sich das Aufheben der Mietpreisbindung bei Neubauten auswirken könnte. In dieser Frage war für die Linken die rote Linie schnell gezogen.
Das Dilemma von Rot-Grün war von Anfang an ihr geringes Gewicht im Reichstag – gerade einmal 116 von 349 Sitzen konnten sie bei den Wahlen 2018 gewinnen. Um die rechten „Schwedendemokraten“ (62 Sitze) vom politischen Einfluss fernzuhalten, tolerierten bisher die Linkspartei sowie die liberalen Parteien „Zentrum“ und „Die Liberalen“ das Minderheitskabinett. Vor allem das „Zentrum“ drängte auf die Aufhebung der Mietbremse, um das Baugewerbe mehr anzukurbeln. Der politische Spagat zwischen Links und Liberal war nicht mehr möglich.
Der Chef der „Moderaten“, Ulf Kristersson, der zweitstärksten Fraktion, hat sofort nach der Abstimmung „mit Freuden“ seine Bereitschaft zu einer Regierungsbildung erklärt. Dies zusammen mit den kleineren „Christdemokraten“ und eventuell den „Liberalen“. Doch nach der derzeitigen Aufteilung der Sitze bräuchten sie die Duldung der rechten „Schwedendemokraten“. Anfang dieses Jahres erklärten sich die beiden bürgerlichen Parteien zu diesem Schritt bereit – ein Tabubruch, denn die „Schwedendemokraten“ haben ihre Wurzeln in faschistischen Bewegungen. Dennoch genießt Kristersson in Umfragen das höchste Vertrauen, gefolgt von Stefan Löfven.
„Bioschweden“
Der Bürgerliche fordert eine strengere Asylpolitik (Schweden hat im Flüchtlingsjahr 2015 rund 163.000 Asylsuchende aufgenommen) und ein effektiveres Bekämpfen der Bandenkriminalität. Gefordert werden auch niedrigere Steuern. Die „Schwedendemokraten“ unter Jimmie Akesson unterstützen die ersten Punkte, doch sie wollen einen Sozialstaat allein für „Bioschweden“.
Die Linken werden darum von den Sozialdemokraten als mögliche Steigbügelhalter der aufsteigenden extremen Rechten dargestellt.
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