Schweden hat europaweit die höchste Infektionsrate
Der schwedische Weg scheint in einer Sackgasse zu enden. Nirgendwo in Europa sind die Inzidenzen (270) höher, nirgendwo die Spitäler noch stärker überlastet, weil es einfach zu wenig Personal gibt.
Der Verbund der Kommunen und Regionen setzte am Freitag die rot-grüne Regierung unter Stefan Löfven mit einer Anfrage unter Druck, Personal von den skandinavischen Nachbarn „auszuleihen“.
Nicht genug Pfleger
David Konrad, Chef der Intensivabteilung der Karolina Universitätsklinik bei Stockholm, bittet wie viele andere seit Monaten vergeblich um Verstärkung: „Wir haben vor allem nicht genug Intensivkrankenschwestern, der Sommer wird eine harte Herausforderung“, so der Facharzt im schwedischen Sender SVT. Denn dann wollen viele der überarbeiteten Schwestern Urlaub nehmen.
41 Prozent geimpft
Dabei wäre die Lage theoretisch gar nicht so schlecht: Derzeit liegen 253 Personen mit Covid-19 auf einer Intensivstation, 88 weniger als in der vergangenen Woche. Auch geht die Anzahl der Toten seit Januar zurück, die Fallzahlen werden seit April weniger. Und bereits 41 Prozent der erwachsenen Bevölkerung der zehn Millionen Schweden sind geimpft.
Junge Schweden pfeifen drauf
„Es dauert eine Weile, bis die Wirkung auf Bevölkerungsebene sichtbar wird. Darüber hinaus erreicht der Impfstoff bis jetzt nicht die Gruppen, die derzeit zur Ausbreitung der Infektion beitragen“, so Anders Tegnell, Schwedens bekannter Staatsepidemiologe auf Anfrage des KURIER. Und: Die jungen Schweden hielten sich immer weniger an die Empfehlungen.
Der schwedische Sonderweg machte bereits im Frühjahr 2020 Schlagzeilen, als Anders Tegnell als führender Experte von einem Lockdown abriet und alleine auf Empfehlungen setzte. Die Regierung folgte ihm. Heute haben die Schulen längst wieder Präsenzunterricht. Allerdings gibt es keine Maskenpflicht, die Geschäfte sind offen, Lokale schließen dafür schon um 20.30 Uhr. Ab Juni dürfen Lokale zwei Stunden länger offen halten, auch Vergnügungsparks werden wieder öffnen. Laut Umfragen vertrauen 87 Prozent der Schweden den Informationen des einflussreichen Gesundheitsamtes.
14.366 Covid-Tote
Der schwedische Weg ist dennoch umstritten, kostete er doch 14.366 Leben. Seit Wochen stehen Vertreter des Gesundheitsamtes sowie Gesundheitsministerin Lena Hallengren unter Polizeischutz.
Streit und Drohungen
Aber auch viele Gegner von Tegnell hätten bereits „das Handtuch geworfen oder das Land verlassen, aufgrund von Drohungen gegen sie und ihre Familien“, sagt Marcus Carlsson, Mathematikdozent , zum KURIER. Er gehört zur „Wissenschaftsgruppe Covid-19“, die der schwedischen Regierung von Anfang an Desinformation vorwarf.
In Schweden wurde bei 1.058.341 Personen eine Infektion mit dem Coronavirus nachgewiesen. Die Anfrage der Regionen, Krankenhauspersonal aus den Nachbarländern auszuleihen, will die Regierung „eilig prüfen“.
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