Wieso Erdoğan die NATO-Erweiterung blockiert

Schweden und Finnland haben am Mittwoch in Brüssel offiziell ihre NATO-Mitgliedschaft beantragt – doch Ankara hat die Beitrittsgespräche vorerst blockiert. „Ihr übergebt uns keine Terroristen, aber ihr bittet uns um NATO-Mitgliedschaft?“, ließ der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan ausrichten.
Er wirft beiden EU-Ländern vor, Vertreter von terroristischen Vereinigungen wie der PKK und anderer kurdischer Organisationen zu beherbergen. Schweden und Finnland würden zudem die Auslieferung von 33 „gesuchten Personen“ verweigern, die Verbindungen zur PKK und zur Gülen-Bewegung hätten.
Eigentlich hätte der NATO-Rat noch gestern den Start der Beitrittsgespräche einleiten wollen. Doch nun ruhen die Hoffnungen auf einem für heute in New York geplanten Treffen zwischen dem türkischen Außenminister Mevlut Cavusoglu und seinem US-Amtskollegen Anthony Blinken. Tatsächlich könnte hinter der türkischen Blockade mehr stehen als der Ärger über den Umgang der Schweden und Finnen mit der PKK. Auch zwischen den USA und der Türkei hängt der Haussegen in der NATO schief, seit Washington den geplanten Verkauf von F35-Kampffliegern an Ankara stoppte.
Der Grund: Die Türkei hatte vor knapp drei Jahren ein russisches Flugabwehrraketensystem gekauft. Sehr zum Ärger der USA, die befürchteten, dass geheime Daten ihrer hochmodernen Kampfflieger über das russische System direkt an Moskau gelangen könnten. Spekuliert wird deshalb, dass die Türkei nun gegen Lockerungen von Seiten der USA ihrerseits die Blockade gegen die beiden Länder aufgeben könnte.
Schwedens Embargo
Schweden hat die Türkei aber auch sanktioniert: Stockholm liefert keine Komponenten mehr für den Bau der türkischen Kampfdrohnen vom Typ Bayraktar. Das schwedische Embargo wurde Ende 2019 verhängt, nachdem türkisches Militär in Nordsyrien einmarschiert war.
Dass der 68-jährige türkische Staatschef im Alleingang den NATO-Beitritt Schwedens und Finnlands verhindern wird, glaubt man im westlichen Militärbündnis nicht. Vermutet wird indes ein Zusammenhang mit den Türkei-Wahlen im kommenden Jahr – und Erdoğans zuletzt stark gesunkenen Popularitätswerten. Mit seiner harten Haltung könnte er wieder Stimmen gewinnen, besonders wenn sich der Präsident durchsetzt und Schweden und Finnland ihre diplomatische Haltung gegenüber der Kurdenmiliz YPG in Syrien aufgeben.
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