Schweden will in die NATO: Ankara grollt, Moskau droht

Schweden will in die NATO: Ankara grollt, Moskau droht
Der Regierung in Stockholm hat mit Widerstand von zwei Seiten zu tun

Aus Warschau Jens Mattern

„Das fühlt sich groß an“, sagte die Schwedens Außenministerin Ann Linde, nachdem sie am Dienstagfrüh den Antrag auf die NATO-Mitgliedschaft ihres Heimatlandes in ihrem Büro mit einem einfachen blauen Kugelschreiber unterzeichnet hatte.

Das skandinavische Land, das seit 1814 in keiner Militärallianz war, wird bald seine Bündnisfreiheit aufgeben – der Grund ist die russische Invasion in die Ukraine.

Dem Kreml missfällt Schwedens Beitritt zum westlichen Militärbündnis. Doch nicht nur Russland ist gegen eine Nordost-Erweiterung, auch die Türkei stellt sich quer – als NATO-Mitglied könnte Ankara die Aufnahme Schwedens boykottieren.

Vergangenen Freitag behauptete der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan, dass es ein Fehler sei, die beiden Länder aufzunehmen, denn sie würden terroristische Gruppen wie die PKK beherbergen. „Die Arbeiterpartei Kurdistans“ ist eine Untergrundorganisation, die für Anschläge in der Türkei verantwortlich gemacht wird. Deswegen wird sie innerhalb der NATO wie auch in der EU als terroristisch eingestuft. Somit auch von Schweden, was Ann Linde ihrem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu am Samstag in Berlin versicherte.

Am Montag unterstrich Erdoğan jedoch erneut seine Absicht, einer Mitgliedschaft Schwedens und Finnlands nicht zuzustimmen.

Cavusoglu erklärte zudem, dass beide Länder die „Volksverteidigungseinheiten“ (YPG) unterstützten, eine kurdische Miliz in Syrien, die von der Türkei ebenfalls als „terroristisch“ eingestuft wird. Nach türkischen Berichten sollen sich der schwedische Verteidigungsminister Peter Hultqvist 2019 mit YPG-Vertretern getroffen und ihnen Unterstützung angeboten haben.

Der Groll Ankaras richtet sich somit vor allem gegen Schweden, zumal das Land eine großzügige Asylpolitik verantwortet. Nach nicht aktuellen Schätzungen sollen sich an die 100 000 Kurden in Schweden aufhalten.

Mit einem möglichen Boykott der NATO-Erweiterung würde Erdogan Russlands Präsidenten Wladimir Putin einen Gefallen erweisen. Als Gegenzug rechnet der türkische Präsident wohl damit, dass er seine Einflussversuche in Syrien ohne russische Gegenmaßnahmen umsetzen könnte.

Historische Konflikte

Und auch der Chef im Kreml scheint weit mehr Vorbehalte gegenüber Schweden als gegen Finnland zu hegen. Denn das NATO-Kapitel, das nun in der schwedischen Geschichte aufgeschlagen wird, kann gleichzeitig als eine Fortsetzung einer schwedisch-russischen Auseinandersetzung gesehen werden, die sich seit dem Mittelalter hinzieht.

Schon im Hochmittelalter befand sich das Königreich Schweden mit dem Fürstentum Nowgorod um Einflusszonen in der Gegend um den finnischen Meerbusen im permanenten Kriegszustand.

Peter, der Große

Um den russischen Anspruch auf diese Region zu zementieren, gründete Peter, der Große 1703 die Hafenstadt St. Petersburg und machte sie zu seiner Hauptstadt. Dank der Entwicklung des Schiffsbaus konnte der „moderne Zar“, übrigens ein großes Vorbild Putins, die bis dahin schwedische Dominanz in der Ostsee brechen

Die bündnisfreie Außenpolitik, die Schweden dann nach den Napoleonkriegen betrieb, war immer antirussisch, beziehungsweise gegen die Sowjetunion gerichtet. In beiden Weltkriegen hielt sich Schweden aus Kämpfen heraus, sympathisierte jedoch mit Nazi-Deutschland.

Das hat man in Russland nicht vergessen. So richtet sich die Propaganda des Kreml bisher deutlich heftiger gegen Schweden. Zu sehen war dies bei einer Plakataktion in Moskau, wo berühmte Persönlichkeiten des Landes wie die Autorin Astrid Lindgren – die Erfinderin von Pippi Langstrumpf – und der Ikea-Gründer Ingvar Kamprad in die Nähe des Nationalsozialismus gerückt wurden.

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