Schweden und Finnland auf Zielgeraden zum NATO-Beitritt
Seit dem Schwedisch-Norwegischen Krieg 1814 war Schweden an keiner kriegerischen Handlung mehr beteiligt; die Ablehnung militärischer Pakte prägte 200 Jahre das Selbstverständnis des Landes. Zwar ist die Neutralität schon seit 2002 Geschichte, doch blieb man frei von militärischen Allianzen. Ein NATO-Beitritt kam nie ernsthaft infrage, obwohl Schweden eng mit dem Bündnis kooperiert.
Doch nun soll alles ganz schnell gehen.
Große Zustimmung
Wie Medien berichteten, will die sozialdemokratische Regierungschefin Magdalena Andersson noch im Mai eine NATO-Mitgliedschaft beantragen – gemeinsam mit ihrer finnischen Kollegin Sanna Marin, ebenfalls eine Sozialdemokratin. Grund ist der russische Angriff auf die Ukraine, der die Zustimmung zur NATO in beiden Ländern massiv steigerte. 57 Prozent der Schweden und 68 Prozent der Finnen sprachen sich zuletzt dafür aus.
Als möglichen Zeitraum für die Bewerbung nennen die schwedische Boulevardzeitung Expressen und das finnische Blatt Iltalehti unter Verweis auf Regierungskreise die Woche vom 16. bis 22. Mai. Da soll der finnische Präsident Sauli Niinistö Stockholm besuchen. Finnlands Außenminister Pekka Haavisto bestätigte das am Dienstag nicht. Ein gemeinsamer Antrag wäre zwar von Vorteil, sei aber noch nicht abgemacht.
Premierministerin Marin hatte allerdings jüngst erklärt, die Regierung werde „binnen Wochen, nicht Monaten“ über eine Bewerbung entscheiden. Sie und Andersson argumentieren, dass die Invasion in der Ukraine die Sicherheitsarchitektur Europas derart verändert habe, dass eine Mitgliedschaft in der NATO nötig sei.
1.300 km Grenze
Dass ein Beitritt in Finnland stärker begrüßt wird, liegt an der Geschichte: Das Land war einst Teil des russischen Reiches und wurde im Zweiten Weltkrieg von der Sowjetunion überfallen. Auch geografisch ist man Russland näher.
Zwar liegt die schwedische Insel Gotland nahe der russischen Exklave Kaliningrad und gilt als potenzielles Angriffsziel. Doch Finnland hat eine mehr als 1.300 Kilometer lange Landgrenze mit Russland, weshalb es auch nach dem Kalten Krieg auf starke Landesverteidigung setzte.
Die Wehrpflicht wurde nie abgeschafft, im europäischen Vergleich sind die Streitkräfte überdurchschnittlich groß und gut ausgestattet. Wie Schweden ist auch Finnland ein enger Partner der NATO. Nicht zuletzt wegen der Abhängigkeit von russischer Energie achtete Helsinki aber stets auf gute Beziehungen zu Moskau – die man nicht mehr gegeben sieht.
"Schnell-Mitgliedschaft"
NATO-Chef Jens Stoltenberg hat Finnland und Schweden eine Schnell-Mitgliedschaft in Aussicht gestellt. Tatsächlich könnte ein Beitritt rasch gehen. Nach einer Einladung durch mindestens eines der 30 Mitgliedsländer sieht das Prozedere Verhandlungen vor, etwa über militärische Ressourcen.
Am Ende steht ein Beitrittsprotokoll, dem alle NATO-Staaten zustimmen müssen. Beim jüngsten Mitglied Nordmazedonien nahm all das 13 Monate in Anspruch.
Drohung mit Atomwaffen
Russland hat für den Fall, dass Finnland und Schweden der NATO beitreten und so die Verteidigungsmöglichkeiten des Bündnisses deutlich erhöhen, Konsequenzen angekündigt. Man werde die „militärische Balance“ in der Region wiederherstellen, auch durch die Stationierung nuklearer Waffen.
Dass das von der NATO wohl nicht unbeantwortet bliebe, führen Kritiker einer Erweiterung ins Rennen. Sie warnen vor einem Wettrüsten im Norden Europas, einem neuen Kalten Krieg.
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