Scholz-Machtwort sorgt bei Grünen für Zähneknirschen

Scholz-Machtwort sorgt bei Grünen für Zähneknirschen
Der Kanzler gab im Koalitionsstreit um die deutschen Atomkraftwerke einen Kompromiss vor. Vizekanzler Habeck gibt sich zufrieden, muss aber die eigene Partei moderieren.

Wochenlang war in der Ampel-Koalition um den Weiterbetrieb von drei Atomkraftwerken gerungen worden. Eigentlich ist bereits gesetzlich beschlossen, dass Deutschland bis Jahresende seine AKW vom Energienetz nehmen muss. Dass ohne Atomkraft die deutsche Versorgungssicherheit im kommenden Winter nicht gesichert wäre, hatten aber selbst die Grünen um Vizekanzler und Wirtschaftsminister Robert Habeck vor Wochen eingestanden.

Sie forderten aber, dass zumindest das nicht dringend benötigte Kraftwerk Emsland in Niedersachsen eingestellt wird. Die wirtschaftsliberale FDP um Finanzminister Christian Lindner legte sich quer – die deutsche Energieversorgung sei zu prekär, um am Betrieb der AKW zu rütteln.

Die SPD hielt sich aus den öffentlich ausgetragenen Diskussionen heraus, bis Kanzler Olaf Scholz am Montag ein Machtwort sprach.

In einem Brief an Habeck, Lindner und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) gab Scholz die Entscheidung vor: Alle drei deutschen AKW werden in Betrieb gehalten – aber nur bis spätestens 15. April 2023. Um den Kompromiss durchzusetzen, nutzte Scholz die sogenannte Richtlinienkompetenz. Die besagt, dass der Kanzler „die Richtlinien der Politik bestimmt und dafür die Verantwortung trägt“.

Win-Win für fast alle

Es mag überraschend wirken, doch zunächst sahen etliche Beobachter nach der Kanzler-Intervention Gewinner auf allen Seiten. Scholz, der seit Amtsantritt für seine fehlende Präsenz kritisiert wird, konnte ein Zeichen der Führungsstärke setzen. Lindner setzte für seine FDP das Ziel durch, alle drei AKW vorerst in Betrieb zu halten – mehr wäre in dieser Koalition ohnehin nicht drin gewesen – und sogar Habeck erklärte, das sei eine Lösung, mit der er „arbeiten“ und „leben“ könne.

Brisanter dürfte die Frage sein, ob auch die Grünen-Fraktion im deutschen Bundestag damit leben können wird. Ricarda Lang, eine der beiden Parteivorsitzenden der Grünen, schrieb am Montag auf Twitter zur Scholz-Vorgabe: „Wir werden dazu Gespräche führen.“ Bei der parteiinternen Bundesdelegiertenkonferenz, die am Wochenende stattfand, hatten sich die Grünen noch strikt gegen einen Weiterbetrieb des AKW Emsland ausgesprochen. Habeck glaubt trotzdem, dass er die Partei auf Linie bringen wird: „In dieser Situation die Regierung aufs Spiel zu setzen, scheint mir überhaupt nicht verhältnismäßig. Das kann eigentlich nicht passieren.“

Ein weiterer Aspekt des Kanzler-Machtworts ist, dass Scholz sich nun selbst die Verantwortung für die Energieversorgung der Nation umgehängt hat. Sollte es nach dem 15. April, wenn die AKW spätestens abgeschaltet werden, tatsächlich zu Engpässen bei der Stromproduktion kommen, dann wäre von nun an der Kanzler schuld daran.

Deutschen Medien zufolge soll es gerade diese Entwicklung sein, die ausnahmsweise sogar beide Koalitionspartner, Lindner und Habeck, zufriedenstellt.

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