Gas-Drohung wegen Schengen-Streit: Bulgarien will Österreich "bestrafen"
Dass Bojko Borissow gerne einmal auf den Tisch haut, ist nicht nur in Bulgarien bekannt. Einst Leibwächter des letzten kommunistischen Diktators, gibt der Karate-Profi in der Politik des ärmsten Mitglieds der EU seit Jahrzehnten den Ton an – und das macht sich im derzeitigen politischen Chaos in Bulgarien deutlich bemerkbar.
"Österreich bestrafen"
Das Land hat keine handlungsfähige Regierung, also hat das Parlament das Sagen. Dort sitzt Borissow als Vorsitzender der größten politischen Partei des Landes und richtet plötzlich eine offene Drohung an Österreich: „Wir haben beschlossen, das Land zu bestrafen“.
Seit Kaltem Krieg: Österreich war schon in den 1960ern der erste Abnehmer von russischem Erdgas in Westeuropa. Die erste Verträge wurden 1968 unterzeichnet. Von da an wurden immer mehr Pipelines von Ost nach West, über den Eisernen Vorhang gebaut.
Enge Beziehungen: Die österreichische OMV ist einer der engsten Partner des staatlichen russischen Energieriesen Gazprom. Inzwischen wurden gemeinsame Großprojekte in Europa storniert und auch die Zusammenarbeit in Russland reduziert. Langjährige Gaslieferverträge dagegen bleiben aufrecht.
87 Prozent der österreichischen Gasimporte kamen zuletzt aus Russland. Damit zählt Österreich neben Ungarn und der Slowakei zu den am stärksten abhängigen EU-Staaten.
Schengen-Blockade
Der Grund dafür ist leicht erklärt. Österreich blockiert in Brüssel die Vollmitgliedschaft Bulgariens und Rumäniens im Schengen-Raum, also jener Kernzone Europas, in der – von befristeten Ausnahmen abgesehen – keine Grenzkontrollen gelten. Zwar sind die beiden Länder soeben formal dem Schengen-Raum beigetreten, doch das gilt nur für Luft- und Seegrenzen. An den für Bevölkerung und Industrie entscheidenden Landgrenzen wird weiterhin kontrolliert – und zwar auf ausdrücklichen Wunsch Österreichs, das auf sein Vetorecht in dieser Frage beharrt.
Politische Willkür
In beiden Ländern ist der Unmut über diese als politische Willkür Wiens empfundene Blockade groß. Deren Vertreter in Brüssel warnen davor, dass so im Jahr der Europawahl die antieuropäischen Kräfte gestärkt würden. Tatsächlich haben im derzeitigen politischen Chaos in Bulgarien – es gab sechs Parlamentswahlen in den vergangenen drei Jahren – die radikalen Kräfte wie die rechtsextreme, offen europafeindliche „Vazrazhdane“-Partei immer das Sagen. Entsprechend angriffig gibt sich auch der politische Drahtzieher Borissow.
Ungarn betroffen
Der Plan, mit dem man jetzt Österreich bestrafen will, ist nicht ganz neu. Angetrieben von Borissows Partei hat das Parlament erneut die Einhebung einer Steuer auf Gas-Transporte durch das Land beschlossen. Durch Bulgarien führt die „Turkstream“-Pipeline, durch die seit dem Krieg in der Ukraine immer mehr russisches Erdgas fließt. Hauptabnehmer dieses Gases sind Ungarn und Serbien. Als man in Sofia im Oktober des Vorjahres erstmals diese Steuer einführen wollte, reagierte daher vor allem Budapest sehr heftig. Man drohte ebenfalls mit einem Veto gegen Bulgariens Schengen-Beitritt und aktivierte die EU-Kommission.
Russland-Geschäfte
Die nahm nicht nur die Transport-Steuer für Gas, sondern Bulgariens gesamte Gasgeschäfte unter die Lupe, vor allem die mit Russland. Das Land und die Turkstream-Pipeline könnten zu einem neuen Einfallstor für russisches Gas in die EU werden, so die Befürchtung.
Abhängig von Russland
Die Steuer wurde im Herbst storniert, nur um jetzt von Borissow neuerlich als Druckmittel eingesetzt zu werden. Der Zeitpunkt ist tatsächlich günstig. Der Transport von russischem Gas durch die Ukraine wird politisch immer heikler. Die Verträge laufen 2024 aus, die Ukraine will sie nicht verlängern. Für Österreich eine heikle Situation, ist man doch weiterhin fast vollständig vom russischen Gas abhängig. 87 Prozent unserer Gas-Importe kamen auch im Februar aus Russland, wie der KURIER aus dem Energieministerium erfuhr.
"Leere Drohung"
Könnte dieses Gas also demnächst über Bulgarien fließen und uns damit zum Spielball für Steuerfantasien in Sofia machen? Bei der Energie-Regulierungsbehörde E-Control gibt man sich jedenfalls unbeeindruckt. Durch die Turkstream-Pipeline fließe derzeit kein Gas nach Österreich und das werde auch in Zukunft so bleiben. Man habe genügend Alternativen für den Gas-Import. Was da aus Sofia komme, sei nichts als eine „leere Drohung“.
Kommentare