Saudi-Arabien: Vorreiterin der neuen Freiheiten
Charismatisch, stark und entschlossen im Kampf gegen Extremismus sowie Terrorismus – und für eine offene Gesellschaft sowie für mehr Rechte für Frauen – so präsentiert sich die junge Social-Media-Aktivistin Kawthar al-Arbash, die das bisher erzkonservative Saudi-Arabien im Internet ziemlich aufmischt. Dabei allerdings auch ins Fadenkreuz der Reformverweigerer gerät.
"Im Netz erhalte ich Morddrohungen und bin Hass-Tiraden ausgesetzt", sagt die Mittdreißigerin, die in der Vorwoche an der Tagung des Abdullah-Zentrums für interkulturellen und interreligiösen Dialog in Wien teilnahm, zum KURIER. Dabei will sie nichts anderes, als zu einem friedlichen Zusammenleben auch in ihrer Heimat beitragen. Und das mit einer Konsequenz, die weit über die Schmerzgrenze hinausreicht: "Mein Sohn, damals 18 Jahre alt, der als Freiwilliger beim Schutz einer Moschee aushalf, erkannte einen Selbstmordattentäter in Frauenkleidung. Gemeinsam mit einem anderen drängte er den Terroristen aus dem Gebetshaus. Doch im Freien zündete der seinen Sprengstoffgürtel. Mein Sohn starb. Ich schickte der Mutter des Attentäters ein Kondolenzschreiben, wir hatten ja beide unsere Söhne verloren. Sie sogar zwei Mal: Das erste Mal, als er sich radikalisiert hat, das zweite Mal physisch", sagt Kawthar al-Arbash, und ihre Augen werden feucht – vier Kinder hat sie noch.
Reformfeuerwerk
Das Reform-Feuerwerk, das der 32-jährige saudische Kronprinz Mohammed bin Salman mit Billigung seines Vaters, König Salman, derzeit zündet, liegt ganz im Interesse der jungen Mutter. "Früher war der gesellschaftliche und kulturelle Druck auf Frauen sehr groß. Jetzt bekommen wir Stück für Stück mehr Rechte", zeigt sich die Bloggerin erfreut, die rund eine halbe Millionen Follower hat. Wenngleich es noch immer Barrieren gebe, habe sich diese Entwicklung jetzt beschleunigt.
Beispiel Autofahren: Heuer wird Frauen erlaubt, selbst einen Pkw zu steuern. "Das war eine Riesen-Debatte. Die konservative Geistlichkeit war und ist strikt dagegen, weil das Bewegungsfreiheit für uns Frauen bedeutet. Und die wollen sie eingeschränkt wissen. Aber solche Einstellungen sind schon lange nicht mehr repräsentativ für die Gesamtgesellschaft", betont Kawthar al-Arbash, die sich "natürlich" auch einen Wagen kaufen will, "eventuell einen Porsche".
Klerus als Bremsklotz
Generell würden Teile des Klerus den größten Bremsklotz darstellen. "Sie argumentieren mit dem Verlust unserer Kultur und unserer Religion (die extrem rigide wahhabitische Auslegung des Koran) und schüren so ein Klima der Angst. Aber meine Landsleute reagieren nicht mehr so stark darauf, die moderaten Stimmen sind lauter als die konservativen."
Ihre Erklärung dafür: "Wir Saudis lieben es, zu reisen, und sind viel im Ausland. Dort sehen und erfahren wir eine ganz andere Realität. Doch wir wollen nicht länger ,zwei Leben’ haben müssen – ein internes und ein externes." Zudem hätten viele, zumal auch Frauen, in den USA, Großbritannien oder Deutschland studiert, seien hoch qualifiziert zurückgekommen mit neuen Ideen. Diese wachsende Gruppe würde die "soziale (Denk-)Fabrik" bilden für die Umwälzungen, die vor Jahren noch undenkbar gewesen wären. Vor allem die Frauen seien gleichsam erwacht, seien voller Tatendrang und "energiegeladener als die Männer". Kawthar al-Arbash: "Ich bin stolz darauf, bei diesem Sprung, der sich im Land gerade vollzieht, dabei sein zu dürfen."
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