Von Asyl bis Klima: Wie die neue Regierung der Niederlande sich bei der EU querlegen will
Sechs Monate hat es gedauert, und am Ende sitzt der klare Wahlsieger nicht auf dem Sessel des Premiers. Klar aber ist trotzdem: Geert Wilders gibt in der neuen Regierung in den Niederlanden, die jetzt tatsächlich auf Schiene ist, den Ton an. Und das hat massive Konsequenzen. Schließlich hat der Rechtspopulist, der mit seiner quasi-Ein-Mann-Partei PVV ("Partei für die Freiheit") alle politischen Konkurrenten im Herbst deklassiert hat, angekündigt, dass "in den Niederlanden die Sonne wieder scheinen" und außerdem "das Land wieder uns gehören" wird.
Der Islam als zentrales Feindbild
Und was das zu aller erst heißt, macht Wilders' politische Hauptstoßrichtung seit Jahren unmissverständlich. Die Zuwanderung in die Niederlande, vor allem aus muslimischen Ländern wie Marokko, Somalia oder Afghanistan, muss gestoppt werden. Dazu ist Wilders, der den Koran so wie Hitlers "Mein Kampf" verbieten lassen will, bereit, aus dem gerade erst beschlossenen EU-Pakt zu Asyl und Migration auszuscheren. Ein sogenanntes "Opt out" lässt die EU-Regeln in den Niederlanden außen vor. Die darin geplanten Maßnahmen - für Menschenrechtler oder die Grünen inakzeptabel - sind für ihn viel zu weich.
Wilders verspricht "Das härteste Asylrecht aller Zeiten"
Er will das "härteste Asylrecht aller Zeiten". Und das ist bereits sehr konkret in Vorbereitung. So soll es auch für anerkannte Asylwerber keinen unbegrenzten Aufenthalt mehr in den Niederlanden geben. Sie müssen sich in Zukunft bei der Vergabe von Sozialwohnungen, aber auch bei Schul- oder Universitätsbesuch hinter den Einheimischen einreihen.
Auch der Familiennachzug, ähnlich umstritten wie in Österreich, soll beschränkt werden. Die im Vorjahr erst beschlossene gleichmäßige Verteilung von Asylwerbern auf Städte und Gemeinden soll rückgängig gemacht werden.
Das allerdings könnte die ohnehin angespannte Lage in den großen Asylzentren des Landes noch dramatischer machen. Rechtlich möglich soll das alles durch das Ausrufen einer "Asyl-Krise" werden, die der Regierung die Möglichkeit gibt, bestehende Regelung relativ mühelos außer Kraft zu setzen.
Gegen den "Green Deal" in der Landwirtschaft
Gemeinsam mit der rechtsliberalen Partei VVD von Langzeit-Premier Mark Rutte sitzt auch die Bauernpartei BBB in der Regierungskoalition - und die punktet bei ihrer Klientel vor allem damit, dass sie die in der EU ausgehandelten Regelungen für mehr Umwelt- und Klimaschutz aushebeln will. Die niederländische Landwirtschaft ist intensiv, hochtechnisch und industriell organisiert - und verbraucht daher riesige Mengen an Dünger und Pestiziden.
In der Rinderzucht setzt man auf große Stückzahlen auf engem Raum; und da die Tiere große Mengen an klimaschädlichem Methangas produzieren, belastet man damit ebenfalls das Klima. Das alles soll Hollands Bauern in Zukunft wieder egal sein dürfen - ganz gegen die Vorgaben der EU.
Mehr Erdgas aus der Nordsee
Doch nicht nur da will man in Klimafragen den Retourgang einlegen, auch von der Abkehr von fossilen Energien will man nichts mehr wissen. Konkret heißt das, die Erdgasfelder in der Nordsee, wichtigster Energieversorger für die Industrie des Landes, sollen ausgebaut werden. Warnungen von Klima- aber auch von Umweltexperten, die Erdbeben befürchten, schlägt man in den Wind.
Ausbau der Atomkraft
Durchaus im Sinne der EU - wenn auch nicht von Ländern wie Österreich - ist dagegen der geplante Ausbau der Atomkraft. Bis zu vier neue Akw sollen gebaut werden, die Pläne dafür sind allerdings noch recht unausgegoren.
Weniger Geld für die EU
Natürlich wettert Wilders - ein Leitmotiv der Rechtspopulisten - ganz grundsätzlich gegen die angeblich verschwenderische EU und die Zahlungen, die die Niederlande in deren Budget zu zahlen habe. Die sollen so rasch und so drastisch wie möglich gekürzt werden. Die Möglichkeiten dafür sind derzeit beschränkt, da der mehrjährige EU-Haushalt kürzlich erst mühsam umgekrempelt wurde. Allerdings können die Niederlande bei den demnächst anstehenden Rieseninvestitionen in die Aufrüstung Europas, aber auch in den grünen Umbau der Industrie auf der Bremse stehen. Das Land, das ohnehin zu den Sparmeistern in der EU zählt, gemeinsam mit Österreich, wird bei der geplanten Aufnahme gemeinsamer EU-Schulden noch lauter "Nein" rufen als bisher.
Wenig Freude mit der EU-Erweiterung
Kostenintensiv ist auch die geplante Erweiterung der EU um Länder von Serbien bis zur Ukraine. Ohnehin ist diese Erweiterung für den Westen Europas, also auch für die Niederlande, grundsätzlich weiter weg und weniger wichtig als für die EU-Staaten weiter östlich. Doch für die neue Regierung in Den Haag ist sie vor allem ein möglicher Türöffner für eine weitere Migrationswelle.
Nicht mehr der "Depp Europas" sein
Auch wenn die diesmal nicht muslimisch ist, wird sie als Bedrohung betrachtet. Daher spricht man im Regierungsprogramm offen über Einschränkung der Reise- und Niederlassungsfreiheit innerhalb der EU, deutlicher formuliert, die Niederlande könnten auf eine Erweiterung reagieren, indem sie ihre Grenzen dichtmachen. Denn für Wilders bleibt der Stopp der Migration auf jeden Fall das zentrale Motiv. Schließlich wolle man nicht mehr "der Depp von Europa" sein, der ständig alle Menschen geliefert bekomme, die andere Staaten nur durchwinken würden.
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